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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Hatte er damit gemeint, daß er sie per Ehevertrag, versehen mit Bändern und Amtssiegeln, geheiratet hätte, wenn so etwas möglich wäre? Hatte er auf seine eigentümliche Art angedeutet, daß er sie zur Frau wollte und nähme, wenn es ihm die Umstände erlaubten?
    Und welche Umstände? Die Tradition, daß die Königshäuser untereinander heirateten, damit ihr Blut reinstes Himmelblau blieb? So etwas zählte in der Neuen Welt nicht mehr viel, war aber in Europa immer noch sehr wichtig. Sein Vater, der König, wollte ganz bestimmt, daß er eine Prinzessin heiratete. Aus einer solchen Ehe waren mit Sicherheit auch Maximilian und Rolf hervorgegangen.
    Warum hätte man sonst Meyers Mutter auf diese heuchlerische Weise an den Hof bringen müssen, um den Schein zu wahren?
    Nein, Angeline durfte vom zukünftigen König Rutheniens nicht erwarten, daß er sie heiratete. Aber was blieb ihr dann?
    Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, mußte sie zugeben, daß sie noch einen anderen Grund hatte, Rolf nichts über die diversen Anträge mitzuteilen, die sie erhalten hatte. Immerhin bestand die Möglichkeit, daß er, wenn er davon erfuhr, um ihres eigenen Wohls willen auf sie verzichtete oder sie mit unnachgiebiger Willenskraft drängte, Meyer zu ehelichen, und sich damit jeglicher Verantwortung entzog. Und was sollte Rolf hindern, ein ähnliches Arrangement zu treffen, wie schon sein Vater vor ihm, wenn er es wünschte: eine Maitresse, die zwar verheiratet war, aber auf seinen Wink zur Verfügung stand; es war zu bezweifeln, daß Meyer Einwände erheben würde.
    Nein, dachte Angeline, so will ich nicht denken. Das ist dieselbe zynische Verzweiflung, die von Claire Besitz ergriffen hat, derselbe Ekel vor sich selbst, der sie dazu bringt, ihre Gunst und ihr Leben wegzuwerfen. Diese Fallgrube muß und werde ich umgehen, denn keiner kann mich demütigen, wenn ich es mir nicht gefallen lasse, und das werde ich niemals!
    Und Claire? Was geschah in diesem Augenblick mit ihr? Wo war sie in dieser kühlen, ungemütlichen Nacht? Wieviel Schmerz und Demütigung mußte sie erdulden, während sich die Männer, die sie retten sollten, untätig auf ihren Stühlen zurücklehnten? Nun ja, man hatte Späher ausgesandt, die sich umhören und nach Claire suchen sollten. Sie hatten Anweisung, vorsichtig und heimlich vorzugehen, um ihr Leben nicht zu gefährden. Doch wenn sie endlich gefunden wurde, konnte es schon zu spät sein.
    Angeline hatte seit ihrer Rückkehr in McCulloughs Lager gelegentlich an die Nacht denken müssen, in der die Spanier sie und Claire gefangengenommen hatten. Die Gefahr, in der sich ihre Kusine jetzt befand - war sie größer oder geringer als die, vor der sie geflohen war? Angeline hatte die ganze Zeit unterstellt, daß Rolf derjenige war, vor dem Claire solche Angst hatte, aber hatte sie das gesagt? Angeline konnte das Gefühl nicht loswerden, daß dieses Ver-säumnis kein Zufall war. Wer oder was erfüllte Claire mit solchem Entsetzen, daß sie die relative Sicherheit der Protektion des Schotten eingetauscht hatte gegen die hauchdünne Chance, mit Hilfe des Spaniers und seiner Leute zu entkommen?
    Angeline warf sich die ganze Nacht hin und her und suchte im Labyrinth ihrer Erinnerungen nach einer Antwort, doch als der Morgen anbrach, war sie nicht klüger als vorher.
    Am fünften Tag nach ihrer Rückkehr in McCulloughs Lager kam die Indianerin Morning Star zurück. Sie ritt den gewundenen, schlammbedeckten Weg heran und wartete draußen, bis der Posten ihre Ankunft gemeldet hatte. Der Räuberhauptmann machte »hm« und »häh« und kratzte sich am Kopf, aber er erlaubte ihr schließlich näher zu treten und ging ihr entgegen. Was sie einander zu sagen hatten, war nicht zu hören, denn sie unterhielten sich fließend in einer kehligen Indianersprache, aber als Ergebnis der Verhandlungen betrat Morning Star undurchdringlichen Gesichts und leichten Schrittes das Haus. Sie ging schnurstracks zum Küchenbereich am Kamin und probierte die von Angeline zubereiteten Gerichte, wobei sie jedesmal, bevor sie den Löffel an den Mund führte, erst vorsichtig daran roch. Sie spuckte nichts aus. Angeline hatte jedoch den Eindruck, daß das eher dem Respekt der Indianerin vor Nahrung als ihren Kochkünsten zuzuschreiben war.
    Morning Star hatte schon einige Tage ihren - dieser Meinung war sie offenbar - rechtmäßigen Platz in McCulloughs Bett und an seinem Herd eingenommen, als schließlich die Nachricht eintraf, daß Don Pedro

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