Strom der Sehnsucht
Bande ruhig in ihrem Versteck liegenblieben und sie einzeln niederschießen konnten.
Was blieb Rolf jetzt zu tun? Angeline wußte zwar nicht, warum es so war, aber sie erwartete nur von ihm, daß er etwas unternehmen könnte, nicht McCullough, nicht einmal Jim Bowie. Sie krallte die Finger in ihre Röcke und ging alle Möglichkeiten durch, wie gefährlich sie auch waren. Die Chancen waren erschreckend gering.
Rolf konnte die Rinne stürmen, um dem Spanier seine vorteilhafte Stellung zu nehmen, und sich dabei auf die Überlegenheit der Garde und der von ihm geschulten Männer beim Umgang mit Waffen zu verlassen suchen. Er konnte sich zu den Pferden zurückziehen, die er in einiger Entfernung zurückgelassen hatte, aber auch dazu mußte er aus der schützenden Dunkelheit der Bäume heraustreten, und der Blutzoll war wahrscheinlich ebenso hoch wie bei einem Frontalangriff. Und schließlich konnte er Don Pedro so sehr reizen, daß er einen Ausfall wagte und die Zedern offen attackierte.
Gerade als Angeline dieser Gedanke kam, ertönte eine sonore, stichelnde Stimme. »Mein spanischer Freund, ich muß Euch mein Kompliment für Euren Scharfblick aussprechen, Eure Scharfschützen dagegen taugen wenig.«
»Zumindest werden sie dazu taugen, Euch das Leben zu nehmen, amigo !« kam die Antwort.
»Hoffnung ist etwas Schönes, und für jemanden, der mit schlammverschmiertem Bauch im Graben liegt, während ihm der Regen in die Ohren tropft, ist sie sogar lebensnotwendig. Darf ich Euch einen Schirm anbieten, der mit wohlriechendem Zedernöl eingefettet ist? Er mag ein wenig stachelig sein, bietet aber guten Schutz für Euer Pulver. Zögert jetzt nicht, oder der armselige Regen wird Euch noch entwaffnen, und das wäre doch schade.«
Bei diesen Worten, die so mühelos bis zu ihr drangen, überkam Angeline gewaltige Erleichterung. »Rolf«, flüsterte sie und fand sich plötzlich im feuchten Laub knien, denn die Beine verweigerten ihr den Dienst. In ihren Augen standen Tränen, die sie mit einer ungeduldigen Geste mit dem Handrücken wegwischte, um wieder sehen zu können.
Rolf fuhr fort mit den spöttischen Sticheleien, die von der anderen Seite in wachsendem Zorn zurückgegeben wurden. Hin und wieder fiel ein Schuß, der immer erwidert wurde. In einer kurzen Feuerpause hörte Angeline von der Rückseite der Blockhütte plötzlich das verstörte Muhen von Rindern. Es gab mindestens einen Siedler, der nicht gut auf die Räuber zu sprechen war.
Allmählich und bruchstückhaft nahm in Angelines Kopf eine Idee Gestalt an. Der Spanier wußte nichts von ihrer Anwesenheit. Wenn sie Lärm machen und ihn ablenken konnte, verschaffte sie Rolf vielleicht eine Gelegenheit zum Angriff. Sie besaß keine Waffe, denn sie hatte in der Eile nicht daran gedacht, sich mit einer Pistole oder Flinte zu versehen, außerdem wußte sie nicht einmal, ob im Lager überzählige Waffen vorhanden waren. Sie hatte daher nichts, um Lärm zu machen, knallen oder klappern zu können.
Was konnte sie sonst noch tun? Es war von entscheidender Bedeutung, Don Pedro irgendwie aus dem Graben zu scheuchen. Was sie jetzt bräuchte, wäre eine Schar Reiter, um ihm in den Rücken zu fallen. Während sie auf dem Boden kauerte und angestrengt grübelte, brüllte wieder eine Kuh. Angeline blinzelte und verzog auf einmal langsam die Lippen zu einem Lächeln. Sie stieß einen leisen Seufzer der Genugtuung aus, rappelte sich auf und schlüpfte verstohlen zu ihrem Pferd.
Hastig führte sie die Stute durch den Wald, strauchelte dabei und verfing sich vor atemloser Eile in Ranken und Zweigen. Um das Ende des Grabens, in dem der Spanier mit seinen Männern lag, machte sie einen großen Bogen. Das hellerleuchtete Blockhaus, das sie durch den Wald sehen konnte, bildete einen brauchbaren Orientierungspunkt für den Weg, den Angeline nehmen mußte. Sie hielt sich immer links davon und erreichte schließlich die Rückseite des Gebäudes.
In einem Pferch aus Pfählen, die in den Boden gerammt und mit Stricken zusammengebunden waren, bewegten sich voller Unruhe etwa zwanzig Kühe. Der schlammige Untergrund hatte sich unter ihren stampfenden Hufen in einen Morast verwandelt. Ihr Gebrüll hörte sich verzweifelt an. Das Vieh drängte sich dicht zusammen, und das Klappern von Hörnern, die aufeinander trafen, klang unheimlich durch die Dunkelheit.
Das Tor bestand aus einem großen Gatter von zusammengebundenen Pfählen und war mit einer Schlinge am Zaunpfosten befestigt. Angeline stieg
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