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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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doch Angeline war ungeduldig über die Verzögerung. Endlich konnte sie das Pferd in den Nieselregen führen, stieg in den spanischen Sattel und gab ihm die Fersen. Die Stute wieherte überrascht auf und warf den Kopf zurück, doch dann jagte sie im gestreckten Galopp den gewundenen Pfad entlang, der durch das Niemandsland führte.
    Angeline kannte ungefähr die Richtung und den Weg, denn sie hatte Gustavs Bericht mit angehört. Aber sie war nicht auf das Gewirr von Straßen und obskuren Pfaden vorbereitet, die sich hin und her über die Chaussee wanden: Heerstraßen, Indianerpfade und Wildwechsel. Das Licht ließ allmählich nach, und Angeline traf auf dieser gottverlassenen Straße weder auf ein Haus noch auf andere Reisende.
    Die Meilen flogen unter den Hufen des Tieres in einem Wirbel vorbeirasender schwarzer Äste und nassen Unterholzes dahin. Angeline plantschte durch tiefe, morastige Fahrrinnen in der sandbedeckten Straße und durchquerte Bäche und kleinere Nebenflüsse, die vom Regen angeschwollen waren. Ab und zu hielt sie an, um nach den Spuren derer zu suchen, die ihr vorausgeritten waren, aber der Regen hatte sie verwischt, und die Fährte war so undeutlich zu erkennen wie Spuren im Sand, die die Flut eingeholt hat.
    Sie nahm nicht wahr, wie ihr der Wind ins Gesicht peitschte und wie der Regen auf ihre Wangen traf. Ihr Mantel wurde tropfnaß, zerrte an ihren Schultern und schlug gegen die bebenden Flanken der Stute. Der Hufschlag ihres Pferdes hämmerte ihr im Kopf, verschlang alle anderen Geräusche und hallte von den tiefen Wäldern wider. Als aus der Ferne gedämpftes Gewehrfeuer an ihr Ohr drang, war Angeline, als übernehme es diesen Rhythmus mit nachdrücklichem Getrommel.
    Nein, nein, nein. Ein stummer Schrei entrang sich ihrem Herzen, aber sie verringerte die Geschwindigkeit nicht. Sie beugte sich über den Hals des Pferdes und holte das letzte aus ihm heraus. Die Stute war willig und trug Angeline dem Ort des Schußwechsels näher und näher. Plötzlich ertönte eine letzte Explosion ganz in der Nähe, und Angeline hörte die Kugel pfeifen, dann herrschte Stille.
    Es wäre Wahnsinn, offen auf das Haus zuzureiten. Nach ein paar Schritten zügelte Angeline ihr Pferd, stieg ab und führte es zwischen die Bäume. Sie bahnte sich einen Weg durch nasses Unterholz unter triefenden Ästen. Jeder ihrer Schritte ließ den modrigen Waldgeruch nach fauligen Blättern und dumpfer Nacht aus dem Boden steigen. Angeline band die Stute an einen Baum, wo sie von der Straße aus nicht zu sehen war, dann bewegte sie sich vorsichtig auf das Licht zu, das durch die Bäume schimmerte.
    Kerzenschein kam in goldenen Rechtecken aus den Fenstern der Blockhütte und glitt über eine breite Veranda in den Hof. Dort fiel er auf die Leichen von Männern, deren Arme im Tode weit ausgebreitet waren. Er beleuchtete Walnußbraun, verblichenes Rot und Graublau, und die Stoffe waren so durchtränkt vom Regen, daß sie fast schwarz wirkten. Und an einer Stelle glänzte schwach ein Fleck von reinstem Weiß, doch wer da lag, war nicht zu erkennen.
    Durch die feuchte Nacht dröhnte ein Schuß. Er kam aus dem dunklen Graben neben der Hütte. Erwidert wurde das Feuer aus einem Zedernwäldchen, das in Angelines Nähe lag. Durch die herunterhängenden unteren Äste wurde ein dunkles Versteck gebildet. Im Innern des Gebäudes rannte ein Mann hastig zu einem der Fenster, um in die Richtung zu schießen, wo die Zedern standen. Das Feuer wurde jedoch nicht erwidert.
    Wie Angeline von ihrem Beobachtungsposten erkennen konnte, hatte der Spanier offenbar einige seiner Männer als Köder in der hell erleuchteten Hütte gelassen, den Großteil seiner Streitmacht aber in den Graben verlegt. Als Rolf und die anderen herangeritten waren, waren sie im Schein der Lampen offensichtlich niedergemäht worden wie Grashalme. Rolf und McCullough hatten die Männer gesammelt und sich in den Schutz des Zedernwäldchens zurückgezogen. Zumindest hoffte oder betete Angeline, daß Rolf dabei war. Jene leblose Gestalt, die im schlammigen Hof lag, war schlanker als der ruthenische Prinz, aber vielleicht trog dieser Eindruck sie auch bei dem schlechten Licht.
    Vom Graben spie eine Pistole ihr Feuer, und unter den Zedern schrie jemand auf. Die Bäume boten offenbar nur unzureichenden Schutz. McCulloughs Trupp und die Garde wagten nicht, sich von der Stelle zu rühren, weil das Licht, das durch die Äste fiel, sie sonst preisgegeben hätte, während Don Pedro und seine

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