Strom der Sehnsucht
intensiv, daß der jähe Höhepunkt sie wie ein Blitz traf. Sie schrie auf, und er hielt sie fester.
»Freue dich mit mir, Liebste«, flüsterte er heiser, »mein Himmel, mein Halt, mehr ist uns nicht erlaubt.«
Noch einmal drückte er sie an sich. Noch einmal hob und senkte sich ihr Brustkorb schwer, bis er allmählich ruhiger wurde; dann kühlte die heiße feuchtglänzende Haut ab.
Angeline spürte, wie ihr die harten Kanten der Treppe in die Schulter schnitten, wie ihr Fuß zwischen den Säulen der Balustrade eingeklemmt war. Ein kalter Wind fegte ihr über Schulter und Hüfte, und sie zitterte.
Der Mann, der sie festhielt, gab ein Geräusch von sich, das sowohl Seufzen als auch Lachen bedeuten konnte. Er richtete sich auf, sammelte die herumliegenden Kleidungsstücke ein und warf sie ihr in den Schoß. Dann nahm er Angeline in die Arme und trug sie die Treppe hinauf.
Sie waren beinahe oben, als aus einem der Schlafzimmer gelbes Kerzenlicht auf die Galerie fiel. Die Tür zur Veranda ging auf, und in einem Morgenrock aus blauem Musselin versperrte ihnen Tante Berthe den Weg.
»Nun«, sagte sie und kniff die Lippen zusammen, als sie Angeline nackt in Rolfs Armen sah. Falls sie sein ebenso unbekleideter Zustand beunruhigte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Sie starrte die beiden mit ihren schwarzen Augen triumphierend an, als fühle sie sich überlegen, da sie bekleidet war.
»Bon soir, Madame<<, antwortete Rolf höflich.
Die Dame ignorierte seinen Gruß. Sie verzog die Lippen zu einem höhnischen Lächeln und musterte Angeline. »Habe ich mir doch gedacht, den Schrei einer mannstollen Schlampe zu hören!«
Rolf, dessen Bissigkeit ihn auch nicht verließ, wenn er in einer derartigen Situation unbekleidet war, grinste maliziös: »Ohne Zweifel eine Ausgeburt Eurer eigenen Träume.«
Wie beabsichtigt, lenkte er damit den Zorn der Tante von Angeline auf sich selbst. Madame de Buys richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf und blitzte ihn wütend an. »Ich verlange, daß Ihr sofort verschwindet!«
»Verlangt, was Ihr wollt«, erwiderte er leise und knapp, »und dann geht zum Teufel.«
»Das ist eine Unverschämtheit! Ich dulde das nicht unter dem Dach meiner Schwester!«
»Wie wollt Ihr mich hindern? Aber vielleicht seid Ihr aus Eifersucht so pikiert? Soll ich Abhilfe schaffen und nach Meyer, Leopold und Oswald schicken?«
Daß sich Berthe de Buys sehr wohl an die Männer erinnerte, die sie in jener unvergeßlichen Nacht ihrer Gefangennahme ausgezogen hatten, war offensichtlich, denn sie schrak schon bei der Nennung ihrer Namen zusammen. »Das... das könnt Ihr nicht tun!«
»Teure Dame, geliebte Verwandte Angelines, die sich so rührend um sie gesorgt hat, sagt mir, was mich davon abhalten sollte?«
Madame de Buys bedachte den Prinzen mit einem Blick von Angst und Zorn, zog sich schleunigst in ihr Schlafzimmer zurück und knallte die Tür zu. Rolf erreichte Angelines Zimmer mit wenigen Schritten und legte sie auf das schmale Bett.
Sie schmiegte die Wange an seine Schulter, preßte sich an seinen warmen Körper und genoß die lebendige Hitze, die er ausstrahlte. Sie wurde bald ruhig und fror nicht mehr. Sie legte ihm die Hand auf die Brust und schmiegte das Gesicht an seinen Hals, wo der starke Puls des Lebens pochte.
Und so, mit sanften Worten, süßer, zärtlicher Erfindungsgabe und ungestümer Lust beschenkten sie einander und schwelgten in gedankenloser Seligkeit. Doch sie konnten die Nacht nicht festhalten, und schließlich schliefen sie mit schmerzenden, übersättigten Körpern aneinandergeschmiegt ein, während schon das Dämmerlicht in den Raum drang.
Als Angeline erwachte, schien das helle Sonnenlicht wie flüssiges Gold ins Zimmer. Es fiel auf den ruthenischen Tapferkeitsorden an himmelblauem Band, der golden und unbekümmert neben ihr auf dem Kissen glänzte, wohin er mit Sorgfalt gelegt worden war. Sie war allein.
19
Die Küche im Hof des Hauses der Witwe roch muffig nach Schimmel und verrottetem Gips, der von den porösen Ziegeln an den Innenwänden abblätterte. Der säuerliche Geruch nach Essensresten, Seifenschaum und Schmutzwasser vom mittäglichen Abwasch, das noch nicht weggeschüttet worden war, stand im Raum.
Angeline guckte in einen Topf und erblickte kalte Fischsuppe, die mit einer Fettschicht überzogen war. Sie schüttelte sich und tat den
Deckel wieder darauf. Ein knuspriger Brotlaib, ein Stück Käse und ein paar gekochte Garnelen dagegen waren annehmbar. Mit
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