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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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ungewissen lassen will.
    Der letzte Tanz vor dem mitternächtlichen Imbiß kam heran, und Rolf trat auf Angeline zu. Er nahm ihren Arm und führte sie aufs Parkett, und zu den Klängen eines Wiener Walzers zog er sie inmitten von Dutzenden lachender und plaudernder Paare in die Arme. Er sprach nicht, während er sie im Arm hielt, aber an seiner Art war nichts Unpersönliches mehr. Ohne Rücksicht auf das, was sich schickte, hielt er sie mit ernstem Gesicht umschlungen. In seinem bewußten feierlichen Ernst lag - so kam es ihr vor - ein stilles Lebewohl.
    Der Puls trommelte Angeline in den Ohren, sie war erfüllt von der prickelnden Spannung ihrer Sehnsucht; ihr schnürte sich vor Schmerz die Kehle zu, und in ihren Augen standen Tränen. Sie ertappte sich dabei, an den Abend ihrer ersten Begegnung zurückzudenken, als er sie unerbittlich auf den Tanzboden verfolgt hatte. Wie anders war die sanft kontrollierte Haltung, die er jetzt an den Tag legte, und wie sehr zöge sie das andere vor, wenn sie dann für immer bei ihm bleiben könnte.
    »Hast du genug vom Gekratze und Gescharre der Schwerfälligen? Ich muß bis zum Ende durchhalten und abgefüllt mit vergälltem Champagner pflichtschuldigst und bockbeinig herumhüpfen, aber ich lasse dich nach Hause bringen, wenn du es wünschst.«
    Angeline war müde, und es war besser, sich jetzt in schicklicher Haltung zu verabschieden, als zu bleiben und Rolf mit brennenden Augen zu folgen, wie er im Saal die Runde machte, bis sie heimgehen mußte. »Ja«, erwiderte sie leise, »ich habe genug.«
    Meyer setzte sich neben sie in die Kutsche, eine still anwesende Gestalt, die sich in die Polster lehnte. Anfangs machte er wenig Anstalten zu konversieren. Schließlich betrachtete er ihr Profil, das im Licht der Wagenlaterne deutlich hervortrat.
    »Habt Ihr Euch den Vorschlag überlegt, den ich Euch vor ein paar Wochen unterbreitet habe?« fragte er mit leiser, fast nachdenklicher Stimme von der Ecke her, in der er saß.
    »Und ich wußte nicht, ob Ihr es vergessen habt oder ob Ihr es vielleicht ungeschehen machen wolltet«, erwiderte sie.
    »Wie könnte ich? Aber es gab andere Probleme und unerwartete Entwicklungen, wie zum Beispiel Euer Durchbrennen - wenn ich es so bezeichnen darf - mit dem jungen Delacroix.«
    »Ja, ich wollte Euch nicht unterstellen zu... zu zaudern. Niemand wird es Euch verübeln, wenn Ihr Zweifel hegt. Vielleicht hätte ich Euch schon vorher antworten sollen, daß ich Euren Antrag erwogen habe, ihn aber nicht annehmen kann.« Als er eine Weile nichts erwiderte, fragte sie: »Habe ich Euch verletzt? Ich versichere Euch, daß es nicht meine Absicht war. Ich werde Euch für Euer Mitgefühl und dafür, daß Ihr mir unter diesen merkwürdigen Umständen helfen wolltet, stets dankbar sein. Dennoch muß ich bedauern, denn ich kann mich nicht zu der Überzeugung durchringen, daß es eine Lösung wäre, Eure Gutmütigkeit auszunützen. Ich glaube, dabei würde keiner von uns glücklich.«
    Meyer streckte die Hand aus, als wolle er sie berühren, vielleicht, um sie zu umarmen, da aber die Kutsche an Fahrt verlor und Leopold ans Fenster heranritt, zog er sich zurück. »Es tut mir leid, ja ich bin untröstlich, daß Eure Entscheidung nicht günstig ist. Ich wünschte, alles wäre anders verlaufen, in vieler Hinsicht anders.«
    »Wenn alles anders gekommen wäre, wären wir nicht die, die wir sind«, antwortete sie.
    »Ja«, erwiderte er steif und öffnete ihr den Schlag.
    Angeline ging zu Bett, konnte aber keinen Schlaf finden. Sie starrte lange in die Dunkelheit, bis sie endlich einschlief.
    Plötzlich schreckte sie auf. Sie lag ganz ruhig da und blickte um sich. Es war schon spät, denn in der pechschwarzen Nacht war keine Spur mehr von Mond- oder Sternenlicht zu sehen.
    Sie wußte nicht, wovon sie aufgewacht war, aber die Nerven an der Oberfläche ihrer Haut schrillten eine Warnung. Langsam, unentrinnbar, wurde sie gewahr, daß sie nicht allein war. Sie hatte keine Ahnung, woher sie es wußte, aber sie war sicher, daß sich jemand im Zimmer aufhielt.
    »Tante Berthe?«
    »Weder eine schlurfende Alte noch ein Dieb. Ich bin es nur.«
    Seine Stimme kam von der Tür her. Sie wandte sich dem Laut zu. »Rolf!«
    »Unterdrück deine Freudenschreie, wenn es geht.«
    »Was... was machst du hier?« Der Spott in seiner Stimme wurmte sie. Sie setzte sich auf, daß die Bettgurte ächzten, und warf das Haar zurück.
    »Ich komme wie der Pilger zum Schrein, in der vergeblichen

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