Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
Vom Netzwerk:
Auf eine schallende Ohrfeige folgte Weinen. Noch eine Tür wurde zugeschlagen. Schnelle Schritte entfernten sich die Treppe hinab, dann war alles ruhig.
    Wie dumm von mir, dachte Angeline, wie unglaublich dumm, mich so blindlings in etwas zu stürzen, das ich nicht kenne. Sie schritt im Zimmer auf und ab und haderte mit sich selbst. Hätte sie sich nicht denken können, daß es nicht so einfach war? Aber warum war dann Tante Berthe unbeschadet ein und aus gegangen?
    Angeline kämpfte tapfer mit dem Staub und den Spinnweben, die hinter den Samtvorhängen lauerten, und entdeckte, daß die Fenster zugenagelt waren. War es, um die Frauen festzuhalten oder um zu verhindern, daß sich ein Kunde ohne Bezahlung empfahl? Es spielte keine Rolle. Sie hätte sowieso nicht aus dieser Höhe abspringen können, und die Bettlaken waren von grauen Schimmelflecken übersät, so daß es fraglich war, ob sie hielten, wenn sie sich daran abseilte.
    Angeline hätte die Scheiben mit dem Porzellankrug einschlagen können, aber die Fenster gingen auf den Fluß, und selbst wenn jemand sie hören sollte, achtete er bestimmt nicht auf ihre Schreie. Auf dem Tischchen neben dem Bett stand zwar eine Kerze, aber sie fand keinen Zunder, um ein Feuer zu entfachen und auf diese Weise auf sich aufmerksam zu machen.
    Die Zeit verstrich. Hin und wilder trommelte Angeline an die
    Tür und rief um Hilfe, aber es gab keinerlei Anzeichen, daß jemand sie hörte. Draußen dämmerte der Abend, und im Zimmer wurde es dunkel. Es begann zu regnen, die Tropfen prasselten aufs Dach und schlugen dumpf gegen die Fensterscheiben.
    Angeline setzte sich auf die Bettkante und ließ die Schultern hängen. Maria würde sicher ihre Abwesenheit bemerken, wenn sie ihr in ein, zwei Stunden das Abendessen bringen würde. Es war unwahrscheinlich, daß sie Alarm schlagen würde, aber vielleicht erzählte sie es Tante Berthe. Die jedoch würde wenig tun. Sie würde bestimmt davon ausgehen, Angeline sei entweder bei Rolf oder bei Helene Delacroix. Es konnte noch Tage dauern, bis sie ihren Irrtum erkennen würde, und selbst dann war es wenig wahrscheinlich, daß sie etwas unternahm.
    Rolf suchte bestimmt bis zur Erschöpfung mit äußerster Gründlichkeit nach ihr, aber war es vernünftig zu hoffen, daß er sie an diesem obskuren Ort aufspürte?
    Licht kroch unter der Tür durch und umriß hell ihren Rahmen -ein Zeichen, daß jemand kam. Der Schlüssel knarrte. Die Tür wurde aufgestoßen und eine Lampe hochgehalten. Zwei Männer traten ein. Der Lampenschein suchte und fand Angeline in der Dunkelheit. Einer der Männer war groß und schlank mit Schnauzer und Bart. Der andere war breitschultrig und kräftig; das Licht schien bleich auf sein Haar.
    »Ja, das ist sie«, sagte Meyer. »Ich bin in Eurer Schuld.«
    Irgend etwas wechselte den Besitzer, und Münzen klingelten. »Merci, Monsieur«, sagte der Spieler, der sich Etienne nannte, reichte dem anderen die Lampe, verbeugte sich und ging hinaus.
    Angeline stand auf und setzte zu einem Lächeln an, als sie auf den Mann zuging, der auf der Schwelle stand. »Wie froh ich bin, Euch zu sehen! Kommt Rolf auch?«
    Der Bankert des ruthenischen Herrschers trat ein, schloß die Tür hinter sich und stellte die Lampe auf den Tisch daneben. »Ja, er kommt... ganz bestimmt.«
    Die maliziöse Genugtuung in seinem ruhigen Tonfall war wie ein Schlag ins Gesicht. Angeline blieb stehen. »Er... weiß, daß ich hier bin?«
    »Er wird es bald erfahren.«
    »Dieser Mann wird ihn wohl benachrichtigen, wie er es bei Euch getan hat?«
    »Wie scharfsinnig, doch Scharfsinn ist ja auch einer Eurer zahlreichen Vorzüge.«
    Mit einem Heben ihrer Brauen quittierte sie dieses Kompliment. Sie spürte, wie sich ihr ein Gewicht auf die Brust legte, daß sie kaum noch zu Atem kommen, ja beinahe nicht mehr sprechen konnte. Die Furcht, die sie erfüllte, wuchs unaufhörlich. »Ich verstehe nicht, warum es nötig war, mich hier festzuhalten, oder warum er glaubt, Ihr wäret an mir interessiert, und woher er Euch kennt.«
    »Ich sehe keinen Grund, Eure Neugier nicht zu befriedigen. Er kennt mich, weil ich mich um seine Bekanntschaft bemüht habe, als ich Claire gestern hier aufstöberte. Was mein Interesse an Euch betrifft, so kümmert ihn der Grund wenig, solange die Belohnung dafür, mich von Eurem Besuch zu unterrichten, hoch genug war. Indem er Euch festhielt, bewies er große Geistesgegenwart, was bei Leuten seines Schlages keine Seltenheit ist. Daß Ihr überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher