Strom der Sehnsucht
Hauses, in rosa Samt mit hoher Empiretaille, rauschte heran. Sie machte einen tiefen Hofknicks und stammelte atemlos: »Willkommen in meinem Haus - und in Louisiana, Euer Hoheit. Es ist uns... eine große Ehre! Wenn wir gewußt hätten, wenn wir uns ausgemalt hätten...«
»Ich nehme an, ich habe die Ehre mit der Gastgeberin«, erwiderte der Prinz. Er beugte sich über ihre Hand und verzog die Lippen zu einem bewußt charmanten Lächeln.
»Ja - so ist es, Euer Hoheit.«
»Monsieur de la Chaise, der so freundlich war, uns für die Dauer unseres Aufenthalts in Eurer schönen Stadt ein Quartier zur Verfügung zu stellen, hat uns zu verstehen gegeben, daß es Euch nicht unangenehm wäre, wenn wir heute abend bei Euch hereinschauen. Falls er sich im Irrtum befand und wir stören sollten, bedarf es nur eines Wortes von Euch, und wir verlassen Euch wieder.«
»Aber nein! Wir sind entzückt, daß Ihr uns mit Eurer Begleitung die Ehre gebt, Euch... Euch unter uns zu mischen. Man hat zwar erfahren, daß Ihr bei Monsieur de la Chaise zu Gast seid, aber wer hätte sich träumen lassen, daß Ihr...«
»Ich bin Euch unendlich dankbar, Madame«, antwortete er und neigte in einer Abschiedsgeste den Kopf. »Güte sei Euer holder Name.«
Sie runzelte die Stirn. »Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit, aber ei-gentlich bin ich auf Helene getauft. Und nun, wenn Ihr gestattet, erlaube ich mir, Euch meinen Gatten vorzustellen.«
Der Schimmer innerer Heiterkeit huschte über die Züge des Prinzen, verschwand aber wieder, als er sich Monsieur Delacroix zuwandte. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch nur zur Hälfte den obligatorischen Höflichkeiten, denn gleichzeitig ließ er den Blick noch einmal über den Saal schweifen.
Angeline war es unterdessen gelungen, am Ende des Tanzes bei ihrer Tante anzulangen. Nachdem sich ihr Partner verbeugt und entfernt hatte, trat sie schnell an deren Stuhl. »Tante Berthe«, flüsterte sie, »was sollen wir jetzt tun?«
»Nichts«, murmelte diese. »Er hat keine Ahnung, daß Claire hier ist. Er schnüffelt nur herum.«
»Dann muß er ja außerordentlich viel Glück haben, daß er so schnell so nahe an sie herangekommen ist«, entgegnete Angeline nicht ohne Schärfe.
»Er ist hierhergekommen, weil er weiß, daß meine Tochter aus St. Martinville stammt, das ist der einzige Grund.«
»Und auf die bloße Möglichkeit hin, daß sie sich hier in ihren Bau geflüchtet haben könnte, ist er um die halbe Welt gereist?«
»Werde nicht impertinent! Es paßt mir gar nicht, wenn du über meine Tochter redest, als sei sie der Fuchs bei einer Hetzjagd. Ich dulde das nicht, hörst du? Und lächle, um Himmels willen, lächle
- er schaut her!«
Sie hatte recht. Die Miene des Prinzen hatte jede Heiterkeit verloren, und er musterte Angeline jetzt streng, ja fast grimmig. Sie spürte seine verhaltene Kraft, den unerbittlichen Willen und die Bedrohlichkeit, die er ausstrahlte. Das Mädchen erbebte bis ins Innerste und konnte die Augen nicht von ihm abwenden. Plötzlich richtete sich der Prinz wieder an die Gastgeberin und stellte ihr die Männer seiner Begleitung vor.
Angeline holte tief Luft und ließ sie langsam wieder ausströmen. Sonst war sie nicht so leicht zu erschüttern. Es lag an der Aufregung und einer schlaflosen Nacht, ganz zu schweigen von der Reizbarkeit der Tante. Nichts war mehr in Ordnung, seit Claire vorgestern nacht plötzlich heimgekehrt war und behauptet
hatte, ihr Leben sei in Gefahr und ihre Mutter müsse sie verstecken.
Claire mit dem feuerroten Haar und den Smaragdaugen, Augapfel und ganzer Stolz ihrer Mutter. Mit welchen Hoffnungen war sie vor drei Jahren nach Paris gereist! Ein Jahr hatte sie bei einer weitläufigen Verwandten verbracht, um ein wenig Schliff zu bekommen, und mit siebzehn wurde sie in die haute monde eingeführt. Wie Tante Berthe sie vermißte! Mit welchem Entzücken las sie die Briefe, in denen von Bällen, Empfängen und Soirees, von billets doux und Gedichten über Claires Wimpern und ihren weißen Hals die Rede war! Wie hatten sie gespart, damit sich die liebe Claire noch ein Kleid und neue Bänder für ihren Pelzmuff leisten konnte! Mit überschwenglicher Freude reagierte Madame de Buys schließlich auf die Nachricht, daß der Thronerbe eines kleinen, aber wohlhabenden Reiches auf dem Balkan ihrer Tochter den Hof machte. Die Einladung in dieses Land erforderte weitere Einschränkungen, damit eine Garderobe angefertigt werden konnte, die der Braut eines Prinzen würdig war.
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