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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Etikette in unserem Provinznest herrscht«, antwortete sie. Rolf von Ruthenien hatte den Arm gesenkt, und so wurde ihr Handgelenk, das er noch immer umklammerte, von ihren Rockfalten verborgen.
    »Die wird sicher überall ziemlich gleich gehandhabt.« Daß Andre die Situation nicht ganz geheuer war, merkte man an seinem Tonfall. »Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie daran erinnern, Angeline, daß Sie mir den nächsten Tanz versprochen haben.«
    »Ich weiß.« Mit gezwungenem Lächeln legte sie ihm die freie Hand auf den Arm. »Sie hätten mich nicht daran erinnern müssen.«
    Wenn sich der Prinz nicht auf ein unwürdiges Tauziehen einlassen wollte, wobei offensichtlich geworden wäre, daß er Angeline belästigte, mußte er sie jetzt loslassen. Kurz entschlossen gab er ihre Hand frei und trat einen Schritt zurück.
    Die Welle der Erleichterung, die Angeline durchflutete, war so stark, daß sie nicht wagte, sich von der Stelle zu rühren. Sie verbarg ihre Schwäche und lächelte den blonden Prinzen kühl an. »Madame Delacroix’ Tochter hat eine schöne Stimme. Soviel ich weiß, will sie uns beim Abendessen etwas Vorsingen. Wollt Ihr nicht bleiben?«
    »Nein, ich glaube nicht. Meine Männer und ich haben lange genug gestört. Ich hoffe, Mademoiselle, wir werden uns Wiedersehen
    - und zwar bald.« Er nickte Andre zu, machte auf dem Absatz kehrt und wandte sich zum Ausgang.
    Seine uniformierte Leibwache war sofort zur Stelle. Die Paare verließen die Tanzfläche und trennten sich wie mit dem Schwert geteilt. Der Majordomus stürzte zur Tür und riß sie auf. Die Garde des Prinzen schritt hindurch und war den Blicken entschwunden.
    »Angeline, ma chere «, rief Madame Delacroix und rauschte auf sie zu, »was, um Himmels willen, haben Sie zum Prinzen gesagt, daß er es so eilig hatte zu gehen?«
    Das Mädchen sah mit farngrünen Augen auf seine Tante, die schweigend vor sich hin brütete. »Eigentlich, Madame«, erwiderte sie, »habe ich fast gar nichts gesagt.«
    Der Rest des Abends war eine harte Geduldsprobe. Beim Essen wurde sie von den anderen Mädchen umringt und dafür beglückwünscht, die Auserwählte des Prinzen gewesen zu sein. Unzählige Fragen prasselten auf sie ein, wie: »Was hat er gefragt?«, »Was hast du gesagt?«, »Warst du nicht ganz hingerissen?«, »Ist dir nicht schwindlig geworden?« Mehr als einmal wurde sie wie vorhin von der Gastgeberin mit Vermutungen bedrängt, warum die Königliche Hoheit die Honoratioren der Stadt und andere wichtige Persönlichkeiten der bedeutenden Familien brüskiert und allein ihr, Angeline, habe vorgestellt werden wollen, um nach einem einzigen Walzer zu verschwinden, ohne jemand anderen eines Wortes zu würdigen.
    Angeline stand Rede und Antwort, so gut es ging, ließ aber nichts über die Enthüllungen des Prinzen verlauten. Keinerlei Andeutungen über Claires Rückkehr kamen über ihre Lippen. Die neugierigen und mißgünstigen Blicke, die die anderen Mädchen ihr zuwarfen, ihre schmachtenden Seufzer über die schneidigen Leibgardisten, von denen sie zum Tanz aufgefordert worden waren, und dazu Andres besorgte Erkundigungen nach ihren Kopfschmerzen - das alles machte sie mehr als bereit, Tante Berthes Wink Folge zu leisten, die wünschte, die Gesellschaft bald zu verlassen.
    Doch damit nicht genug: Auf der Heimfahrt in der Kutsche ging das Kreuzverhör weiter. Madame de Buys wollte jedes Wort hören, das der Prinz gesagt hatte, jede Silbe ihrer Antwort. Sie überhäufte Angeline mit Vorwürfen: warum sie ihm nicht mit mehr Koketterie begegnet sei; warum sie nicht ihren Charme habe spielen lassen; es wäre ihr dann ganz bestimmt gelungen, ihn zu überzeugen und damit Claire zu schützen. Statt dessen habe sie ihn mit ihren bissigen Bemerkungen wahrscheinlich so gegen sich aufgebracht, daß er ihr nie mehr glauben würde. Sie hätte sich ja gleich denken können, daß Angeline alles verpatzen würde. Sie hätte auf sie hören und nicht mit ihm tanzen sollen; diesen Ungehorsam werde sie ihr nicht so schnell vergessen.
    Für die Drohungen des Prinzen hatte Madame de Buys nur eine wegwerfende Geste. Was könne er denn schon tun? Sich den Zugang zum Haus erzwingen? Bei hochgestellten Persönlichkeiten wie ihm gebe es solch barbarische Sitten nicht. Aber selbst wenn - wozu hätten sie schließlich den Butler; der werde das schon zu verhindern wissen. Was seine Absicht betreffe, sie woanders zu überfallen, so gebe es dagegen ein einfaches Mittel: Solange er in der

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