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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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angehalten und könne erst jetzt glauben, was mit ihr geschah. Das Feuer im Kamin prasselte und pustete einen roten Funkenregen in den Raum. Gustav legte Messer und Gabel beiseite, als habe es ihm auf einmal den Appetit verschlagen. Oskar zerkrümelte einen Brotkanten und hielt seine Haselaugen auf seinen Teller gerichtet.
    Angeline dachte an Claire, wie sie sie zuletzt gesehen hatte, an ihre Schönheit, ihre Bitterkeit und ihren Stolz. Für die Unterkunft, die ihr zur Verfügung gestellt wurde, hatte sie nur Verachtung empfunden und sie doch angenommen, weil sie eine entsetzliche, kaum beherrschbare Angst vor Rolf von Ruthenien erfüllte. Sie hatte allen Grund dazu. War nicht das, was er ihr, Angeline, angetan hatte, Beweis genug? Bewies er es nicht erneut in diesem Moment?
    Sie wandte sich an Rolf. »Ihr... Ihr könnt doch nicht von mir erwarten, daß ich Euch zu Claire führe, wenn Eure ganze Handlungsweise ein Vorgeschmack darauf ist, was Ihr ihr antun wollt.«
    Madame de Buys wand sich im Griff der Männer, die sie gepackt hatten, und röchelte. »Chere, du darfst jetzt keine Schwäche zeigen.«
    Rolf würdigte sie nur eines kurzen Blickes. »Soll ich schwören? Aber worauf? Was wird Euch zufriedenstellen?«
    Das Mieder von Madames Kleid lockerte sich unter Oswalds Händen. Im nächsten Moment stand sie in einem knielangen Hemd da, der Körper war in ein Korsett aus Fischbein gezwängt wie eine Wurst in den Darm.
    »Ihr... Ihr könntet auf die Bibel schwören«, erwiderte hastig Angeline, »aber es gibt vielleicht etwas, das Euch ebenso heilig, wenn nicht heiliger ist. Schwört also bei der Ehre der garde du corps, daß Ihr meiner Kusine nichts zuleide tut, sondern sie nur über den Tod Eures Bruders befragt, wie Ihr es versprochen habt.«
    »Nein!« rief Madame und bäumte sich auf. »Du dummes Kind, du kannst nicht um Claires Sicherheit feilschen. Du kannst ihr das nicht antun. Tu’s nicht!«
    Angeline zögerte. Rolf blieb einen Pulsschlag lang ruhig sitzen, dann nahm er das Tranchiermesser, das vor ihm auf der Platte mit dem Rinderbraten lag, und schleuderte es in Richtung auf Madame de Buys. Es wirbelte in hohem Bogen durch die Luft und auf die Kehle der Dame zu. Angeline schrie auf, weil es so aussah, als werde sich die Waffe gleich in das üppige Fleisch ihrer Tante bohren.
    Oswald beugte sich vor und fing das Messer in der Luft auf. Er hielt es Madame de Buys einen Augenblick vor die entsetzt aufgerissenen Augen, trat dann hinter sie und setzte die Klinge an der Verschnürung des Korsetts an. Dieses gab mit einem Geräusch nach, wie Maiskörner, die im Feuer aufplatzen.
    »Haltet ein«, flüsterte Angeline und zwang sich dann, lauter zu sprechen. »Haltet ein!«
    Rolf sah ihr offen ins Gesicht. »Hiermit erkläre ich, daß ich nicht Hand gegen Claire de Buys erheben werde, daß ich sie, obwohl ich zu Rachegedanken allen Anlaß habe, in ihrer befleckten Reinheit und anmaßenden Arroganz nicht anrühren werde. Ihr soll nichts geschehen, solange sie nicht versucht, sich durch Lüge und Täuschung zu verteidigen. Das schwöre ich bei meiner Ehre, die auch die Ehre der Garde ist.«
    »Und werdet Ihr den Eid auch dann halten«, fragte Angeline verwegen, da es Claire teuer zu stehen kommen konnte, wenn sie diesen Punkt übersah, »wenn das, was sie Euch erzählt, Euch mißfällt?«
    »Auch dann.«
    Welche Wahl blieb ihr, als ihm zu glauben und auf einen flüchtigen Instinkt und die hypnotische, ruhige Kraft seines Blickes zu vertrauen? Angeline holte tief Luft. »Sie ist bei den Schwestern in der Klosterschule.«

10
    »Nein! Meine Tochter ist nicht dort, sie ist nicht im Internat! Ihr könnt die frommen Schwestern um diese Zeit nicht stören. Es wäre ein Sakrileg, und alles für nichts und wieder nichts!«
    Madame de Buys hätte ihre Rede ebenso gut der Wand halten könne, so wenig Aufmerksamkeit zollte ihr Rolf noch. Wie er gesagt hatte, schenkte er ihren Einwänden keinerlei Glauben. Er schien gar nicht zu hören, daß die Dame kreischte, Angeline hätte ihnen einen Bären aufgebunden. Wenige Minuten, nachdem Angeline gesprochen hatte, war die Garde aufgesessen und zum Ritt bereit.
    Ihrem Anführer war offenbar aufgefallen, wie nützlich ihnen eine Geisel werden konnte, denn in letzter Minute befahl er, daß Angeline und ihre Tante sie begleiten sollten. Während Sarus sich auf die Suche nach Umhängen für die beiden Frauen begab, wurde für Angeline ein Pferd gesattelt und vorgeführt. Allerdings durfte

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