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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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sie nicht selbständig reiten. Rolf warf die Zügel von Madame de Buys Pferd wieder Gustav zu und nahm selbst die von Angelines Tier.
    Das erste Blaugrau der Morgendämmerung zeigte sich über den Wipfeln, als sie an den hohen, soliden Pfahlzaun heranritten, der die Klosterschule umgab. Das kleine Haus lag in tiefstem nächtlichem Schlummer. Rolf befahl Oswald leise, den Hinterausgang an der Rückseite des Gebäudes zu bewachen. Leopold stieg ab und hämmerte mit dem Schwertheft auf das Tor ein. Nach einer Zeit, die ihnen stundenlang vorkam, bewegte sich der schwache Schein einer Laterne auf sie zu. Eine verdrossene Stimme rief sie von der anderen Seite des Tores an und wollte wissen, wer draußen sei und welche Angelegenheit sie hierher geführt habe.
    »Seine Königliche Hoheit, der Prinz von Ruthenien, wünscht die Mutter Oberin zu sprechen!«
    »Mutter Theresa betet und darf nicht gestört werden«, kam die Antwort.
    »Die Sache ist äußerst dringend.«
    »Sie kann jetzt niemanden empfangen. Kommt am Morgen zu einer anständigen Zeit zurück, nach Sonnenaufgang.«
    »So lange können wir nicht warten«, erklärte Leopold mit Entschiedenheit. »Ich warne Euch, Alte, wenn Ihr nicht die Kosten für ein neues Tor in diesem baufälligen Zaun übernehmen wollt...«
    »Schwester Martha, bitte, ich bin es, Angeline Fortin«, rief Angeline mit erhobener Stimme, um Leopolds Drohung zu übertönen. »Könnt Ihr mich nicht einlassen? Ich versichere Euch, es ist wichtig, daß wir mit Mutter Theresa sprechen.«
    Darauf folgte eine Pause, in der Angeline ausgiebig Zeit hatte, sich zu fragen, was sie zu dem Versuch veranlaßt hatte, der Garde Einlaß ins Internat zu verschaffen. Sie wollte ihnen nicht den Weg ebnen; hätte sie das tun wollen, dann hätte sie sie an die kleine Pforte geführt, wo sie auf direktem Weg inoffiziell zu Mutter Theresa hätten gelangen können. Nein, sie wollte nur nicht, daß in diesem heiligen Bezirk gegen die Frauen, die sie als junges Mädchen betreut hatten, Gewalt angewandt wurde.
    »Angeline, bist du’s wirklich?« Auf ihre Bestätigung murmelte die Pförtnerin etwas in sich hinein und entfernte den großen Holzbalken, mit dem das Tor verriegelt war. »Was hast du denn mit diesen Leuten zu schaffen? Kannst du dich für sie verbürgen?«
    Rolf schwang sich vom Pferd und hob Angeline aus dem Sattel. Meyer erwies Madame de Buys, die jetzt wütend schwieg, denselben Dienst, und Oskar band die Pferde an, als er abgestiegen war. Sie näherten sich dem Tor. Rolf stieß die rohen Bretter weiter auf und zwang so die alte Nonne, einen Schritt zurückzutreten.
    »Pardon, Schwester Martha«, sagte er und neigte das blonde Haupt mit einem Lächeln, das die Nonne überwältigte.
    Schwester Martha machte ohne Murren Platz. Sie stiegen die Treppe zur Vordertür hinauf, die offenstand, gingen hinein und schwärmten aus.
    Von da an lief alles ab wie bei einer Militäroperation. Schwester Marthas Laterne wurde requiriert und auch eine zweite irgendwo aufgetrieben. Gustav und Oswald wurden hereingerufen. Angeline und Madame de Buys blieben mit Rolf und Schwester Martha in der Eingangshalle. Die Garde teilte sich in zwei Gruppen auf und durchsuchte alle Räume. Keine Truhe, deren Deckel nicht gehoben, kein Schrank, der nicht geöffnet, kein Vorhang, der nicht geschüttelt wurde.
    Die Eindringlinge begaben sich in den Schlafsaal, auf dem zu beiden Seiten schmale, jungfräuliche Betten aufgestellt waren, und die Internatsschülerinnen wurden wach. Einige blieben vor Angst wie versteinert liegen, andere rappelten sich auf und stellten sich auf die Betten oder sprangen herum, während das Licht der Laternen durch ihre Nachthemden drang. Aufgeregtes Geschrei und Gekreisch zerriß die Nacht, doch ließ sich daraus nicht erkennen, ob die Invasion dieses keuschen Quartiers durch hübsche uniformierte Männer die schlimmste oder die aufregendste Erfahrung im Leben der jungen Mädchen war.
    »Was hat das zu bedeuten?«
    In der Frage schwang Autorität mit. Sie kam von Mutter Theresa, die jetzt aus ihrem Zimmer im hinteren Gebäudeteil herübergekommen war. In makellosem Habit und einem Schleier, der so sehr gestärkt war, daß er ihr in die Stirn schnitt, ging sie auf Rolf zu und richtete einen durchdringenden Blick auf ihn.
    »Ich bitte um Vergebung für diese Störung«, sagte er und verbeugte sich. »Bedauerlicherweise ist sie unumgänglich.«
    »Das bezweifle ich«, erwiderte Mutter Theresa, die von seinem Lächeln

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