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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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mit ruhiger Stimme, und seine Augen waren schmal und dunkelblau. »Sie hat irreparablen Schaden erlitten, das Schlimmste, das einer jungen Frau zustoßen kann - und hat das alles endlose Stunden gefaßt über sich ergehen lassen, ohne auf Hilfe hoffen zu dürfen, während Ihr, Madame, keinen Finger gerührt habt, um sie zu retten, nicht einmal versucht habt, sie zu sehen, obwohl Ihr mit Sicherheit ziemlich schnell erraten habt, wo sie ist. Ihr seid auch nicht mit der Bitte hergekommen, sie unbeschadet an Euren liebenden Busen drücken zu dürfen. Ihr habt sie mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und seid in Seide und duftige Spitze gekleidet zu Hause gesessen, habt Besucher empfangen und so getan, als sei sie sicher in ihrem Bett, während sie in meinem und in Gefahr war.«
    Der Reispuder auf dem Gesicht der älteren Dame zeichnete sich gelb auf der ergrauenden Haut ab, aber sie hob nur die plumpe Schulter. »Dafür, daß sie so mißbraucht wurde, verbirgt sie es gut.«
    Die Männer am Tisch murrten über diese höhnische Bemerkung, doch Rolf hatte keine Schwierigkeiten, ihre Stimmen zu übertönen. »Weil sie ein Herz hat, dessen Unerschrockenheit ebenso über Euer Begriffsvermögen geht, wie ihr Eigensinn über meines.«
    »Und doch sieht es nicht danach aus, als sei sie mißhandelt worden«, beharrte Madame de Buys, wobei sie ihre Nichte musterte.
    »Beruhigt das Euer Gewissen? Ihre Wunden sind seelischer Natur. Angeline ist jung und schön, sie besitzt Unschuld und unwiderstehlichen Charme. Euch, Madame, die Ihr keine dieser Tugenden Euer eigen nennt, muß man anders behandeln.«
    Angelines Tante schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin Claires Mutter. Ihr könnt von mir nicht verlangen, daß ich sie an Euch verrate. Macht, was Ihr wollt. Ich werde Euch nichts sagen.«
    »Ihr gebt also selbst zu, daß Ihr wißt, wo sie ist«, fuhr Rolf sie an.
    »Ich gebe gar nichts zu. Und ich sage kein Wort!«
    Angeline betrachtete ihre Tante und war gerührt von ihrer Tapferkeit. Die alte Dame hatte jetzt Angst, aber sie verbarg diese Angst, so gut es ging. Und obwohl Tante Berthe ihre Nichte sträflich vernachlässigt hatte, hätte sie ihre Liebe zu Claire und das Bedürfnis, sie zu schützen, nicht besser zeigen können.
    Rolf nahm nachdenklich einen Schluck aus seinem Weinglas, erst dann richtete er sich wieder an die Matrone. »Ihr habt recht, Madame. Es war ein Fehler, von Euch zu erwarten, daß Ihr das Versteck Eurer Tochter preisgebt. Ich fürchte, ich habe Euch über Gebühr wichtig genommen. Von jetzt an seid Ihr nur noch eine Schachfigur, die man hin und her schieben und leicht opfern kann.«
    »Heißt daß, daß... daß ich gehen kann?« Angelines Tante taumelte einen Schritt auf den Tisch zu.
    »Habe ich das gesagt? Dann könnt Ihr auch nicht davon ausgehen. Nein, die gesuchte Information wird von anderer Seite kommen, von einer Person, die bald dasitzen und zusehen muß, wie man Euch demütigt, in dem Wissen, daß nur sie dem ein Ende machen kann.«
    Angeline hatte es kommen sehen. Sie sprang so hastig auf, daß sie an den Tisch stieß, und das Geschirr klirrte.
    »Nein!«
    »Doch.« Er packte sie am Handgelenk und zwang sie auf den Stuhl zurück.
    »Das dürft Ihr nicht, nicht so!«
    Er sah sie nur an, und aus seinen türkisblauen Augen leuchtete Entschlossenheit.
    »Angeline wird Euch nicht sagen, was Ihr wissen wollt. Sie tut es nicht!« erklärte Tante Berthe, und ihre schwarzen Augen waren auf das Gesicht ihrer Nichte gerichtet. »Was mit mir geschieht, spielt keine Rolle.«
    »Das werden wir ja sehen.«
    Rolf ließ Angelines Arm jäh fahren und zog sich auf seine Anführerrolle zurück. Er schob den Teller von sich und sagte: »Oswald, Leopold, Meyer, ihr seid die Auserwählten.«
    Auf ein Fingerschnippen von Rolf trat Oswald an Angelines Tante heran, ein angespanntes Grinsen stand auf seinem Gesicht, hinter dem sich nur mühsam sein Widerwille verbarg, als er nach dem Turban auf den ergrauenden schwarzen Haaren griff. Madame de Buys schlug nach ihm wie in einer Reflexbewegung. Sofort waren die beiden anderen zur Stelle, packten sie und drehten ihr die Arme auf den Rücken. Sie zogen die lange Nadel heraus, die den schwarz-ekrü-gestreiften Stoff festhielt, und der Turban fiel achtlos zu Boden. Sie rissen ihr die Armbänder von den plumpen Handgelenken und streiften ihr gewaltsam die Ringe von den Fingern.
    Madame de Buys ächzte leise, als habe sie bisher die Luft

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