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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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davonreiten. Ich wünsche ihr viel Spaß, der liederlichen Schlampe.«
    Diese Worte klangen in Angeline noch lange nach, als sie mit der Leibgarde davonritt. Sie rührten an ein Geheimnis, das sie tief in ihrem Herzen verborgen hatte, und es führte kein Weg daran vorbei, daß etwas Wahres daran war: Sie hatte keine Einwände erhoben und nicht den geringsten Widerstand geleistet, als sie aus dem Internat zu ihrem Pferd eskortiert wurde. Vielleicht hatte Tante Berthe recht: Sie besaß keine Moral. Möglich, daß sie sich nicht viel aus Rolf machte, aber wo war sie so akzeptiert wie bei seiner Garde?
    Irgendwie hatte sie sich offenbar den Haß ihrer Verwandten zugezogen, vielleicht, weil ihr Tante Berthe Unrecht getan hatte. Und daß sie Rolf auf Claires Fährte gesetzt hatte, machte die Sache nicht besser. Die schockierte Mißbilligung der Nonnen, die Verurteilung ihres Verhaltens wäre Angeline unerträglich geworden, wenn sie hätte bleiben können. Die Leute in der Gemeinde würden gewiß diese Meinung übernehmen, sobald sich die Geschichte herumgesprochen hatte, das konnte nicht anders sein. Da sie von allen Seiten nur Verachtung und verlegenes Mitgefühl zu erwarten hatte, warum sollte sie nicht eine eigenartige Erleichterung, sogar eine perverse Dankbarkeit dafür empfinden, daß Rolf sie bei sich behielt?
    Und doch, welche Zukunft konnte es mit ihm geben? Die Jagd würde irgendwann zu Ende und Claire gefunden sein. Was ist, wenn sie die benötigten Informationen aus ihr herausgeholt hätten, dachte Angeline. Nichts wird die Herren daran hindern, ins glorreiche dekadente Europa zurückzukehren. Ich werde lernen müssen, mich selbst durchzuschlagen. Es muß doch eine Möglichkeit geben, wo ich weder Ehre noch Seele zu opfern brauche. Es muß!
    Sie jagten auf der Landstraße dahin, die an den Sümpfen entlangführte, die Hufe der Pferde schlugen dumpf auf den weichen Boden, und der Wind blies den Reitern ins Gesicht. Angeline ritt zwischen den Männern in der dichtgedrängten Kavalkade. Ihre Haare wehten ihr nach, und ihr Umhang flatterte. In dem grauen Dämmerlicht, in dem der Mond als gespenstischer Schatten im Westen auszumachen war, sah sie Rolf zu ihrer Rechten. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Straße vor ihnen. Links von ihr ritt Gustav, hinter ihnen Meyer und Leopold, während die Zwillinge die Nachhut bildeten. Niemand sprach ein Wort, niemand fragte, wohin es ginge oder wie sie die abgekämpften Pferde weiter auf Claires langsam erkaltender Fährte vorantreiben sollten. Ihnen genügte es, unterwegs zu sein; ihr Anführer kümmerte sich schon um alles andere.
    Angeline sah zu Rolf hinüber und dachte über die Last der Verantwortung nach, die auf ihm ruhte. Er schien das als Selbstverständlichkeit zu betrachten und kaum zu spüren. Er runzelte im Reiten die Stirn, als wäge er verschiedene Möglichkeiten ab. Als er ihren Blick auf sich fühlte, schaute er sie an, und ein Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Er betrachtete ihr blasses, ovales Gesicht, aus dessen Miene Zweifel und Verwirrung, aber auch Erschöpfung sprachen. Ernüchtert sah er wieder weg.
    Sie hörten die Reiterschar nicht gleich kommen, die ihnen um die Biegung entgegenjagte. Erst lag die Straße noch frei und silberbetaut vor ihnen, doch schon im nächsten Moment war ihnen der Weg von Männern versperrt, die sich ihnen mit entschlossenen Gesichtern entgegenstellten. Nach einem Augenblick der Überraschung und Verwirrung erkannte Angeline ihre Freunde und Nachbarn und den hutlosen, dunkelhaarigen jungen Mann an der Spitze. Andre.
    »Sie kommen! Sie sind es!«
    Schwerter wurden mit kaltem Geklirr gezückt, Pistolen gezogen. Ein Schuß krachte, ein Mann schrie auf, gleichermaßen aus Wut wie aus Schmerz. Die beiden Reitergruppen trafen aufeinander mit der gewaltigen Wucht kämpfender Stiere. Mit blauen Flammen und orangerotem Funkenregen schlug Stahl auf Stahl. Männer fluchten und stöhnten. Pferde wieherten und bäumten sich erschrocken auf, als sie hin und her gestoßen wurden. Keine Partei war in der Überzahl, denn Andre war mit seinen Freunden nicht bis St. Martinville gekommen, sonst wären sie mehr gewesen.
    >>Sacre bleu<<, ächzte ein glatzköpfiger Nachbar, »diese Ausländer kämpfen wie die Teufel!«
    Dann drang Andre hocherhobenen Schwerts und mit konzentrierter Entschlossenheit auf Rolf ein und kämpfte mit ihm.
    »Nun, Euer Hoheit«, rief Andre und parierte in atemloser Hast. »Ihr seid wohl überrascht, so bald

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