Stromschnellen: Roman (German Edition)
Jahren unserer Ehe nie untreu gewesen. Ich werde vergessen, was zwischen uns passiert ist. Ich hoffe, Du auch. Denk dran, Du hast im Leben viele Möglichkeiten. Geh wieder zur Schule. Als Datum stand 14. September 1981 darunter, die Unterschrift lautete einfach nur: XXX .
»Mistkerl«, sagte sie. An der Wasseroberfläche ließ sich ein großer Karpfen blicken, gefolgt von einem kleineren. Gemeinsam tauchten sie wieder ab. Margo saß an diesem Nachmittag stundenlang reglos wie ein Vogel in seinem Nest da und hielt ihre Büchse umklammert, aber ihr war nicht nach Schießen zumute, nicht einmal als ein Eichhörnchen über ihren Schlafsack hoppelte. Sie war trunken vom Geruch des Indianers und sehnte sich nach ihm, denn sie hatte sich in den zwei Tagen ein wenig in ihn verliebt. Bestimmt würde es ihr besser gehen, wenn sie ihn sich erst mal aus dem Kopf geschlagen hätte. Er war zu ihr gekommen und hatte sie um Hilfe gebeten, und sie hatte ihm geholfen. Sie hatte ihm etwas zu essen gegeben, und er hatte sie dafür bezahlt. Der Sex mit ihm war anders gewesen als alles, was sie bislang erlebt hatte, aber wäre er dageblieben, wäre er so wie alle Männer geworden. Sie musste sich ausruhen und überlegen, wie sie über die Runden käme, bis ihre Mutter ihr schrieb. Der Indianer hatte ihr genug Geld dagelassen, um ein Boot zu kaufen. Starr saß sie da, länger, als sie in ihrer Erinnerung je still gesessen hatte, und bewegte sich nur, um das Feuer zu schüren oder die Entensuppe umzurühren.
DRITTER TEIL
18. KAPITEL
Zwei Wochen nach der Abreise des Indianers blieb Margos Regel aus, und sie wusste, was das bedeutet: Sie erwartete ein Kind von ihm. Es war dumm von ihr gewesen, sich auf ihren Instinkt zu verlassen, als sie sich einsam fühlte. Dumm, der Begierde und dem Sehnen ihres Körpers an diesem fremden neuen Ort nachzugeben. Sie weinte eine ganze Weile vor sich hin, bis sie oben am Steilufer einen hochgewachsenen, hageren Mann zu ihr herunterblicken sah.
Dem Farmer gehörte das Land, auf dem sie zwei Wochen allein kampiert hatte, während er mit seinen Arbeitern auf den umliegenden Feldern Sojabohnen erntete. Bei seinem Anblick hörte sie schlagartig auf zu weinen, so wie ein Vogeljunges aufhört, nach Nahrung zu piepsen, wenn sich ein Fressfeind nähert. Es juckte sie in den Fingern, nach ihrem Gewehr zu greifen, aber sie fixierte den Mann nur mit den Augen. Nach einem langen, gründlichen Blick wandte sie sich ab und begann ihr offenes Haar mit den Fingern zu kämmen. Dann drehte sie es ein und steckte es mit ihrer Haarklammer am Hinterkopf fest. Die Schlafsäcke und die Campingmatte waren bereits zu einem dicken Bündel verschnürt. Sie faltete die Zeltplane zusammen und sammelte gewissenhaft ihre sonstigen Habseligkeiten ein. Es war später Nachmittag. Die spärlichen Essensvorräte hatte sie in den großen Topf gelegt, den der alte Mann ihr geschenkt hatte, und im Windschutz versteckt, wobei sie den Deckel zum Schutz gegen »tierische Übergriffe« festgebunden hatte. Die Metallkiste mit der Asche ihres Vaters lag daneben. Es störte Margo, dass sie nicht mehr alles mitnehmen konnte, was sie besaß. Die zusätzliche Ausrüstung machte sie zwar unabhängiger, aber gleichzeitig konnte oder wollte sie nicht mehr so einfach abhauen, wenn es Ärger geben sollte.
Obwohl das Feuer so gut wie gelöscht war, füllte sie einen Kanister am Fluss mit Wasser und schüttete es auf die Asche, um dem Farmer zu zeigen, dass ihre Anwesenheit keine Brandgefahr mit sich brachte. Dann band sie die überdimensionierte Bettrolle und die Plane am Rucksack fest und ging ein Stück flussaufwärts. Als sie die Bäume des Windschutzes erreicht hatte und sich umdrehte, konnte sie durch die Zweige immer noch die schemenhafte Gestalt des Farmers erkennen. Allerdings schien der Mann jetzt übers Feld zu blicken.
Sie hatte nicht die Absicht, weit zu laufen, denn sie mochte die Abgeschiedenheit dieses Ortes und hoffte, bleiben zu können, bis sie ein Boot oder einen anderen Plan hätte. Manchmal fühlte sie sich am rauschenden Fluss so frei, wie sie sich am Stark River schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Ab und zu hörte sie in der Ferne Schüsse, was ihr das beruhigende Gefühl gab, dass Schießen hier draußen offenbar zum Alltag gehörte, aber sie hatte nur noch eine einzige Patrone und musste sich in die Stadt wagen, um Munition nachzukaufen. Mit Fisch, Wild, Schwarznüssen und der Beute aus den Gemüsegärten war sie, was die
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