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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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der Fluss selbst über die Ufer zu kriechen und sie zu umfließen. Die Strömung trieb sie tiefer ineinander. Als es vorbei war, sagte der Indianer: »Wenn eine Frau mit einem Mann schläft, gibt sie angeblich die Kraft und Stärke der anderen Männer, mit denen sie zusammen war, an ihn weiter.« Als ihm auffiel, dass sie kaum Luft bekam, ließ er sich auf die Seite rollen und stützte sich auf den Ellbogen. Nackt lag er in der kühlen Luft. »Sag mir, was ich von dir bekomme.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Du siehst aus wie ein Tier.«
    »Welches?«
    »Ich weiß nicht.« Sie fegte ein paar Fichtennadeln von seiner Hüfte und betrachtete seinen ruhenden Penis.
    »Ein Fuchs?«, schlug er vor. »Wenn ich ein Tier sein könnte, wäre ich gern ein Fuchs.«
    »Warum ausgerechnet ein Fuchs?«
    »Weil Füchse schlau sind. Und du?«
    Sie ließ den Blick über die uralte Landschaft, die Bäume und den Fluss schweifen. Sie wollte sich nicht auf ein Tier festlegen.
    »Ich brauch noch was zu trinken.« Suchend sah er sich nach der Flasche um, die halb voll an einem Stein am Feuer lehnte.
    »Du hast gesagt, du willst höchstens die halbe Flasche trinken.« Margo stand auf, holte ein paar kleine Holzstücke, die sie mit dem Beil des Indianers zerhackt hatte, und warf sie ins Feuer.
    »Das war nicht mein wahres Ich. Dies hier ist mein wahres Ich. Mein nacktes Ich. Und das ist dein wahres nacktes Ich.«
    Sie reichte ihm die Flasche. Er nahm einen kräftigen Schluck und schraubte den Deckel wieder zu. Margo saß neben ihm am Fußende ihres Schlafsacks. Es gefiel ihr, nackt unter den Sternen zu sein. Wenn der Indianer seinen Rausch ausschlafen musste, würde er vielleicht doch nicht am nächsten Morgen aufbrechen. Er würde noch einen Tag anhängen müssen, und sie wäre noch nicht wieder allein.
    »Du musst einen Schluck davon trinken«, beharrte er.
    »Es schmeckt mir nicht. Ich hab’s probiert.«
    »Wenn du nur daran nippst, wirst du nie wissen, wie es schmeckt. Vorhin hast du nicht mal den Mund aufgemacht. Du musst einen ordentlichen Schluck trinken.« Er rückte dicht an sie heran, sodass sich ihre nackten Schultern berührten. Margo hatte gehofft, seine Wirkung auf sie würde nachlassen, wenn sie Sex mit ihm hätte, aber das Knistern war noch stärker als zuvor, und sie drängte sich an ihn, um es zu unterdrücken. Sie lauschte auf ein Zeichen vom Fluss, aber er war verstummt. »Mir schmeckt Alkohol nicht«, sagte sie.
    »Whiskey ist eine Religion, ein Flaschengeist. Nimm einen ordentlichen Schluck, dann spürst du, wie er deinen ganzen Körper durchströmt. Weißt du, Margo, ich hab meine Frau bis heute nie betrogen.« Er beugte sich über ihren Nacken. »Meine Frau benutzt das gleiche Shampoo. Den Duft kenne ich. Im Dunkeln ist dein Haar so schwarz wie ihres.«
    »Ich trinke einen Schluck, wenn du ein Stück von dem Pilz isst.«
    »Ich weiß nicht …« Er stellte die Flasche auf ihr Knie.
    »Du hast doch gesehen, wie ich davon gegessen habe, und ich hab mich nicht vergiftet.«
    »Okay, ich esse ihn zum Frühstück, vorausgesetzt, du lebst dann noch«, willigte der Indianer ein. »Versprochen.«
    Margo holte tief Luft, hielt die Flasche schräg und schluckte. Mund und Kehle brannten. »O Gott«, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte.
    »Das ist das erste Mal, dass ich dich Gott sagen höre. Und, was siehst du? Ein Tier?«
    »Ich weiß nicht«, brachte sie mühsam hervor. Ihr Gehirn war lahmgelegt, solange der Whiskey sie durchfloss. Als das Brennen in ihrem Mund nachließ, konnte sie die Bitterkeit deutlicher schmecken.
    »Mach die Augen zu«, verlangte der Indianer. »Was siehst du, wenn du die Augen schließt?«
    »Mein Gott, wie kannst du dieses Zeug nur trinken?«, fragte sie, ohne die Augen zu schließen.
    »Du sollst sagen, was du siehst.«
    »Nur den Fluss«, behauptete Margo, obwohl sie das Tier klar und deutlich vor sich sah. Sie wollte die Vision des Bärenmarders für sich behalten. Er sah aus wie der aus dem Buch des jagenden Indianers, wie der Vielfraß , den ihr Großvater beschrieben hatte. Für den jagenden Indianer war ein fauchender Bärenmarder in seiner Höhle das Zeichen, dass er zu seinem Stamm zurückkehren sollte. Aber dieses Tier bedrohte Margo nicht. Es beäugte sie ruhig, schien sie zu akzeptieren und verschwand. Margo konnte nicht fassen, wie deutlich sie es hatte vor sich stehen sehen, groß wie ein Hund mit den Farben eines Stinktiers und langen Krallen. Sie wünschte, es hätte einen

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