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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Schweigend tätschelte Smoke ihren Kopf und strich ihr übers Haar, wie eine Mutter ihrer Tochter übers Haar streichen würde.

21. KAPITEL
    An Heiligabend betrat Fishbone in der Abenddämmerung ohne anzuklopfen Smokes Küche. Er nahm seinen Filzhut vom Kopf, wischte den Schnee ab und hängte den Hut über dem Lüftungsgitter an einen Haken, den Smoke nie für etwas anderes benutzte. Margo konnte nicht verstehen, dass Fishbone nicht an den Ohren fror. Sie selbst trug bei diesem Wetter eine Pudelmütze, und seit sie den Parka besaß, setzte sie manchmal zusätzlich die Kapuze auf und zog sie zu.
    Da die Tischlampe Smoke in den Augen schmerzte, wurde der Raum lediglich von zwei Weihnachtskerzen erhellt. Nightmare knurrte Fishbone leise an, beruhigte sich aber gleich wieder.
    »Frohe Weihnachten«, sagte Fishbone und reichte Margo vier hölzerne Spannbretter. Sie waren nagelneu, ohne Blutspuren. »Ich habe sie für dich aus Lindenholz gemacht. Es ist weich, da reißen die Tierhäute nicht.«
    Sie bedankte sich und wünschte sich, sie hätte auch ein Geschenk für ihn. Er fegte den Schnee von den Schultern seiner Lederjacke und setzte sich auf Smokes zweiten Küchenstuhl, den ohne Rückenlehne. Erst jetzt fiel Margo auf, dass sie sich in den vergangenen Monaten immer auf Fishbones Stuhl gesetzt hatte. Margo zeigte Fishbone, was Smoke ihr geschenkt hatte: vier Bisamrattenfallen und drei Wolldecken, von denen eine aus Armeebeständen stammte und den mit einer Schablone darauf geschriebenen Namen MESSER trug. Smoke hatte ihr erzählt, dass die Decke seinem Vater beim Militär gehört hatte. Fishbone ließ sich von Margo ein Stück selbst gebackenen Schwarznusskuchen mit getrockneten Apfelstücken servieren. Er aß es bedächtig und schwor, dass ihm im ganzen Jahr nichts besser geschmeckt habe. Als er fertig war, schob er den Teller in die Tischmitte und verkündete: »Der Farmer will mit dir reden, Margo.«
    Margo sah Smoke an.
    »Ich habe George Harland gesagt, dass du eine junge Dame bist, die auf sich selbst aufpassen kann und ihm keinen Ärger machen wird. Er meinte, er hätte bei dir an die Tür geklopft, nachdem er dich hätte reingehen sehen, aber du hättest nicht aufgemacht.«
    »Rede du an ihrer Stelle mit ihm«, schlug Smoke vor.
    »Sie kann für sich selbst sprechen, Smoky. Sie wohnt auf seinem Land. Es gibt keinen Grund, Angst vor dem Mann zu haben.« Fishbone nahm den Lederbeutel mit den Drucklettern vom Tisch und warf ihn von einer Hand in die andere.
    »Ich wohne auf dem Wasser«, widersprach Margo, »nicht auf seinem Land.«
    »Aber wenn du von Bord gehst, betrittst du sein Land. Und wenn der Wasserpegel sinkt, befindest du dich auf seinem Land. Wenn du Trinkwasser von der Handpumpe an seiner Scheune holst – und das tust du –, bist du auf seinem Land. Rede mit ihm, dann gibt er dir nächstes Jahr bestimmt die Abschusserlaubnis.«
    »Vielleicht bleibe ich gar nicht hier. Vielleicht suche ich mir einen anderen Platz am Fluss.«
    Fishbone schüttelte den Kopf. »Das Ganze ist irgendwie sonderbar, findest du nicht, Smoky? Ein junges Ding, das allein hier draußen lebt – das ist doch nicht normal.« Er sah wieder Margo an. »Wenn du mein Kind wärst, würde ich darauf bestehen, dass du die Schule fertig machst. Du solltest zu deiner reichen Mutter nach Lake Lynne ziehen.«
    »Warum muss bei dir immer alles normal sein?«, fragte Smoke ungewohnt heftig. »Das Leben ist schon so schwer genug … Man kann sich nicht auch noch darum scheren, was zur Hölle normal ist! Lass uns mit deinem gottverdammten normalen Leben in Frieden!«
    Margo spürte einen Kloß im Hals. Sie wollte nicht der Anlass für noch mehr Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden sein.
    »Die Kleine erwartet ein Kind«, erinnerte ihn Fishbone und knallte den Lederbeutel vehement auf den Tisch. »Es geht nicht nur um sie.«
    »Sieh sie dir doch an, wie sie dort sitzt! Sieh sie dir richtig an, Fishbone! Sieh dir ihr wunderschönes Gesicht an! Sie hat starke Arme, sie kann ihr Feuerholz selbst hacken. Du hast einen ganzen Sack voll Kinder, Fishbone. Ich habe kein Kind. Mein eigenes Leben ist einen Scheißdreck wert, aber ich kann dieser Kleinen helfen, so zu leben, wie sie will.«
    »Dein Leben ist eine Menge wert, Smoky.«
    »So fühlt es sich aber zurzeit ums Verrecken nicht an.«
    »Warum musst du ständig fluchen? Bei dir artet jeder Abend zu einer Schimpforgie aus.«
    Margo war erleichtert, als sich Smokes Wutanfall schnell wieder

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