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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Idee, dass das Flachdach unter dem Gewicht des Schnees nachgeben könnte, war sie erst gekommen, als Smoke davon sprach. Margo stieg von der Leiter und ging über die frei geräumte und mit Sand bestreute Laufplanke auf den Farmer zu. Er war sehr groß und sehr dünn.
    »Du musst Margo Crane sein«, begrüßte er sie. »Ich bin George Harland.«
    Als er ihr die Hand hinstreckte, trat sie einen Schritt vor und schüttelte sie.
    »Smokes Boot«, konstatierte der Mann mit einem Nicken. »Er hat mir erzählt, dass er es dir verkauft hat. Er hat gesagt, ich soll ein Auge zudrücken und dich auf meinem Grund ankern lassen, damit sich seine Nichten nicht aufregen.« Der Farmer blickte den Fluss hoch und hinunter und meinte: »Ein merkwürdiger Vorschlag. Aber jetzt lerne ich dich endlich mal kennen.«
    Margo nickte. Seine geduldige Art gefiel ihr. Als sie ihn beim Streit mit seiner Frau im Scheunenhof belauscht hatte, war er ihr mit seinem langsamen, ruhigen Wesen ein bisschen dümmlich vorgekommen. Sie fragte sich, ob sie selbst auf andere Menschen auch so wirkte. Ihr Blick fiel auf seine rechte Hand, an der ein Großteil des Zeigefingers fehlte.
    »Seine Pride & Joy . Daran hat er jahrelang gearbeitet. Zu mir und meinem jüngeren Bruder hat er immer gesagt, wenn ein Mann auf dem Wasser leben will, braucht er ein Boot, das zu ihm passt.«
    Margo warf über die Schulter einen Blick ins Innere der Kajüte. In der Ecke neben dem Ofen stand ihre Büchse.
    »Leon meint, ich soll dir für dieses Jahr die Abschusserlaubnis zur Verhütung von Wildschäden geben. Aber ich überlege mir sehr genau, wen ich auf meinem Land schießen lasse.«
    Mit kurzer Verzögerung begriff Margo, wen er mit Leon meinte. Sie starrte immer noch die Hand des Mannes an.
    »Auf Smokes Rat hin habe ich Leon jahrelang die Erlaubnis gegeben, aber letztes Jahr hat er nur zwei Hirsche geschossen. Die beiden behaupten, du wärst eine richtige Scharfschützin.« Der Farmer nickte zur Bekräftigung seiner Worte. »Du bist jünger, als ich gedacht hätte.«
    Margo fiel in sein Nicken ein. Ihr war klar, dass sie den Mund aufmachen und etwas sagen sollte. Der Farmer hatte Johnnys graue Augen, aber zum Glück war er sonst nicht wie sein Bruder: Er besaß nicht dessen raubeinigen Charme und roch auch nicht so gefährlich gut.
    »Du bist ungefähr neunzehn, stimmt’s? Smoke sagt, du stellst Fallen. Hast du dafür eine Genehmigung?«
    Wieder nickte sie.
    »Die Abschusserlaubnis gilt von Juni bis Oktober. Du sollst das Wild von meinen Mais- und Bohnenfeldern fernhalten. Das frisst mir dreißig Prozent meiner Ernte weg, wenn ich niemanden darauf ansetze. Und ich hätte gern ein paar gegerbte Häute. Ich zahl dir was dafür, wenn du sie abziehst und mir bringst.«
    Wieder nickte sie. Sie wollte hierbleiben, zumindest vorerst, und sie wollte die Abschusserlaubnis. Sie war froh, dass es in ihrem Leben wenigstens eine Gewissheit gab.
    »Und sag mir bitte, wenn du hier unten ein Wiesel, einen Nerz oder einen Otter siehst. So sauber, wie sie den Fluss in den letzten Jahren gekriegt haben, wette ich was drauf, dass die Wiesel zurückkommen. Dann muss ich nämlich besser auf meine Hühner aufpassen.«
    Margo wusste, dass man diese Tiere zu Geld machen kann. Sie würde Fishbone fragen, wie man Hermeline und Nerze mit Fallen fängt.
    »Kannst du überhaupt sprechen?«, fragte er und legte den Kopf schief.
    »Ich werde nicht mit Ihnen schlafen«, platzte es aus ihr heraus. Margo spürte, wie ihre Kehle bebte, aber ihre Stimme blieb fest. »Und mit Ihrem Bruder Johnny auch nicht.« Sie hatte nicht vorgehabt, dies als Erstes zum Farmer zu sagen, aber sie wollte klarstellen, dass sie nicht jeden Mann, der hier aufkreuzte, mit offenen Armen empfangen würde.
    »So, so, du hast Johnny also schon kennengelernt. Ich wollte dich vor ihm warnen.« Der Farmer lächelte, und als er dabei die Zähne zeigte, ähnelte er seinem Bruder ein wenig mehr. »Ich frage mich, ob du hier draußen klarkommst. Ich möchte im Frühjahr nämlich keine erfrorene Frau vorfinden.«
    »Ich werde schon nicht erfrieren.« Sie verschränkte die Arme vor dem Bauch. Es gab keinen Grund, weshalb er ahnen sollte, dass sie schwanger war, keinen Grund zu der Annahme, dass Fishbone oder Smoke es ihm erzählt hatte, und trotzdem überraschte es sie, dass er sie als Frau und nicht als Mädchen bezeichnete.
    »Wie heizt du?«
    »Mit Holz. Smoke hat Fishbone dazu gebracht, den Ofen auf undichte Stellen zu untersuchen. Und

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