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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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sah sie Brian beim Panieren und Braten von ein paar Fischfilets aus der Kühlbox zu, damit sie es das nächste Mal selbst machen konnte. Der überwältigende Geruch nach gebratenem Fisch und Speck machte sie ganz benommen. Solange sie hierbleiben musste, wollte sie sich nützlich machen, Brian zur Hand gehen und nichts für selbstverständlich halten. Brian stellte den Teller mit Fisch, Speck, Kartoffeln und Toast vor ihr auf den Tisch. Dann setzte er sich neben sie, als säßen sie an der Theke des Drugstores in Murrayville, und strich mit seiner narbigen Hand über ihren Arm. Ihre Muskeln entspannten sich allmählich, aber sie konnte nicht essen, wenn er sie berührte, und deshalb legte sie widerstrebend die Gabel hin.
    »Tut mir leid«, sagte er und zog die Hand weg. »Iss!«
    Während sie die zweite Tasse Pulverkaffee tranken, streckte er immer wieder die Hand aus, um ihre Schulter oder ihr Gesicht zu berühren oder ihr übers Haar zu streichen. Er erzählte ihr noch einmal, wie er bei der letzten Entlassungsrunde in der Metallfabrik der Murrays gefeuert worden war, wie er sich mit Cal angelegt und ihm die Zähne ausgeschlagen hatte. Es machte ihr nichts aus, die Geschichte zum zweiten Mal zu hören, im Gegenteil, sie empfand es als tröstlich, dass es bereits etwas Vertrautes gab.
    Nachdem sie das Geschirr in einem großen Aluminiumbräter gespült hatten, den sie auf dem zweiflammigen Gaskocher erhitzten, setzten Margo und Brian sich mit ihrer Marlin an den Tisch. Margo zeigte ihm, dass man bei dieser Büchse nur eine Schraube zu entfernen brauchte, um alle beweglichen Teile freizulegen.
    Nach einem prüfenden Blick auf den verchromten Hebel und das in den Kolben geschnitzte Eichhörnchen meinte Brian: »Scheint eine limitierte Auflage zu sein. Die ist bestimmt einiges wert. Gehörte sie deinem Vater?«
    »Nein. Cal.«
    »Braves Mädchen!«, sagte er lachend.
    Margo ließ Brian den Schaft vom Lauf trennen. Sie verbrachten den ganzen Vormittag damit, die Marlin auseinanderzunehmen und Teil für Teil wieder zusammenzubauen, bis die Luft im Raum vom schweren Geruch nach Lösungsmittel und Waffenöl gesättigt war. Wenn Brian nicht gerade etwas erklärte oder Geschichten erzählte, summte er Hits aus den letzten Jahrzehnten, vor allem Songs von den Beatles wie zum Beispiel Norwegian Wood . Im Gewehrlauf entdeckten sie ein paar Wassertropfen, aber sie hatten keinen Schaden angerichtet. Nachdem sie die Büchse sorgfältig geölt und wieder zusammengesetzt hatten, fuhren sie mit dem MerCruiser los, machten an einem Stück Totholz fest und angelten Blaue Sonnenbarsche fürs Abendessen.
    »Warum hat dein Vater eigentlich auf Cals Schwanz geschossen? Hat Cal Murray sich an dir vergangen?«, fragte Brian später, als Margo gerade den Fisch im Spülbecken ausnahm.
    Margo antwortete nicht, auch dann nicht, als Brian sich zu ihr umdrehte und ihr direkt in die Augen sah.
    »Er hat, stimmt’s? Cal hat dich vergewaltigt.« Was als Frage begonnen hatte, endete als Feststellung. »Ach, du heilige Scheiße! Deshalb hast du ihm das Gewehr geklaut.«
    Margo lächelte gequält. Sie war immer noch nicht der Meinung, dass das Wort »vergewaltigen« die Sache traf.
    »Dein Daddy hat dich also gerächt. Aber das reicht nicht. Wenn ich Cal sehe, schlag ich dem Scheißkerl noch einen Zahn aus der Fresse. Ich schlag sie ihm alle aus.«
    Als sie mit dem Ausnehmen der Fische fertig war, überließ sie Brian die Zubereitung. Sie selbst stellte sich ans Fenster, suchte den Fluss ab, bis sie einen Schatten darüberfliegen sah – ein Rotschwanzbussard vielleicht oder eine Krähe –, und malte sich aus, wie sie mit dem Lauf der Marlin seiner Flugbahn folgte. Was Brian mit Cal vorhatte, hatte nur am Rande mit ihr zu tun. Sie war vielleicht der Funke, der das Pulverfass hochgehen ließe, aber zwischen Brian und Cal gab es so schon jede Menge Zündstoff.
    »Na los, Maggie, lass uns deine Büchse ausprobieren und sehen, ob sie noch funktioniert«, verkündete Brian am nächsten Morgen nach dem Frühstück. Margo trug die Marlin in der Hand, und wieder wünschte sie sich, sie hätte einen Riemen. Brian hatte ein größeres Gewehr dabei, ein M 1   Garand aus dem Zweiten Weltkrieg. Beim Reinigen der Marlin hatte er zwar erwähnt, dass er in Vietnam gewesen war, aber lediglich erzählt, dass sein »verdammtes M 16 ständig blockiert« hätte. Da Margo wusste, dass Crane nicht über seine Vietnamerlebnisse hatte reden wollen, kam sie gar nicht erst

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