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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Tür so lange weit offen stehen lassen hatten.
    »Was wolltest du sagen, Brian?«, fragte Paul.
    »Na ja, ich liebe meinen Bruder. Ich liebe dich, Mann. Und es tut mir leid, dass ich dir ins Auge geschossen habe.« Er stützte sich am Türrahmen ab, machte dann plötzlich einen Satz auf den Tisch zu und stieß dabei das Geschirr herunter. Ein Teller und ein Glas gingen zu Bruch. Margos Gewehrputzzeug flog durcheinander. Sie stellte die Flasche mit dem Lösungsmittel wieder auf, bevor noch mehr heraussickerte, aber der ölige Geruch hatte sich bereits im Raum breitgemacht.
    Als sie die Bruchstücke des orangefarbenen Tellers zusammenklaubte, packte Brian sie an der Schulter und zog sie so ruckartig auf seinen Schoß, dass sie sich an einer Scherbe schnitt. Blut tropfte auf das Annie-Oakley-Buch, auf eine Abbildung des stirnrunzelnden Häuptlings Sitting Bull, der Annie den Namen »Little Sure Shot« gegeben hatte. Margo war es den Männern gegenüber peinlich, dass sie ein Kinderbuch las. Sie war neun gewesen, als Joanna es ihr geschenkt hatte.
    »Oh, verdammt«, sagte Brian, als er das Blut auf ihrem Unterarm sah. Er beugte sich hinunter und schloss seinen Mund um die Wunde. Dabei fielen Margo die blutigen Knöchel an seiner vernarbten rechten Hand auf. »Ich wollte dir nicht wehtun, Maggie, dein Blut schmeckt süß wie Honig.«
    »Was ist mit deiner Hand passiert?« Sie richtete sich in seinem Schoß auf. Weil kein Lappen auf dem Tisch lag, nahm sie ihren Ärmel, um das Blut vom Buch abzutupfen.
    »Pauly hat gesagt, dass er immer noch clean ist. Ich bin so verflucht stolz auf meinen kleinen Bruder«, lallte Brian. »Bruderherz, ich bin verflucht stolz auf dich, und dazu stehe ich.«
    »Ach, halt den Mund, Brian«, sagte Paul.
    Margo merkte gar nicht, dass sie Paul anstarrte, aber er drehte den Kopf, um sie mit seinem besseren Auge anzusehen, und sagte ruhig: »Hör auf, mich ständig anzustarren. Das macht mich verrückt. Was soll das?«
    Margo war überzeugt, dass er sie nicht so angefahren hätte, wenn Brian nüchtern gewesen wäre. Hinter Paul tauchte der dritte Mann im Türrahmen auf und hob die Hand zum Gruß.
    »Maggie, das ist Johnny«, stellte Paul ihn vor. »Ein Schwachkopf aus Kalamazoo.« Der blonde Mann mit den grauen Augen kam hinter Paul in den Raum getorkelt, er war genauso betrunken wie Brian, aber nicht so schwerfällig. »Johnny schläft hier drin auf der Couch, und ich schlaf auf der im Vorbau«, bestimmte Paul. »Dann muss ich mir das Geschnarche von diesen Arschlöchern nicht anhören.«
    Brian stand auf und verkündete lallend: »Ich hau mich aufs Ohr.« Er stolperte ins Schlafzimmer und ließ sich in voller Montur, samt der dicken wattierten Canvasjacke, aufs Bett fallen. Margo fragte sich, wie um alles auf der Welt sie ins Bett und unter die Decke kommen sollte, wenn er darauf lag.
    Als sie für Johnny ihren alten Armeeschlafsack ausrollte, meinte er augenzwinkernd zu ihr: »Paul hält mich für einen Trottel, aber ich hab Augen im Kopf.« Lachend ließ er sich auf die Couch plumpsen.
    »Und ob du ein Trottel bist!«, sagte Paul. »Deinen halben Grund und Boden hast du verhökert, um Whiskey zu kaufen.«
    »Ich bin kein Farmer«, erwiderte Johnny. »Und ich wollte auch nie einer sein.«
    Kopfschüttelnd verzog sich Paul in den Vorbau. Johnny streichelte den Schlafsack und schien nicht willens, etwas anderes damit zu tun. Er sah Margo an und nuschelte ein paarmal »wunderschön«, und Margo stellte fest, dass sie nichts gegen seine Aufmerksamkeiten hatte. Jetzt begriff sie auch, dass er der blonde Kerl gewesen war, der hinten im MerCruiser geschlafen und unfreiwillig mit dem toten Hirsch geschmust hatte, den sie Brian in Murrayville verkauft hatte. Bei der Erinnerung daran musste sie unwillkürlich leise lachen. Johnny hatte Margo an dem Tag natürlich nicht gesehen. Und jetzt war er so betrunken, dass er sie beim nächsten Mal wahrscheinlich nicht wiedererkennen würde.
    Als Johnny zur Seite kippte, nahm sein Körper schließlich Schlafposition ein. Margo beugte sich über ihn und deckte ihn zu, so wie Brian sie damals zugedeckt hatte. Als sie den Schlafsack zurechtzupfte, griff Johnny nach ihrem Arm und zog sie zu sich herunter. Um seinem Gesicht nicht zu nahe zu kommen, wandte sie sich ab und setzte sich mit dem Rücken zu ihm auf die Couchkante. Er schlang die Arme um ihre Taille und kitzelte ihre Rippen, bis sie kicherte. Johnny flüsterte: »Du musst hier mal raus und dich ein bisschen

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