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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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aufzubäumen, um Paul abzuwerfen, aber er war schwerer als der Hirsch. Das Laken roch nach Brians Moschusduft, nach Pauls Schweiß und seinem fauligen Atem. Margo wünschte sich, er wäre tot, wie der Hirsch. Als sie krächzend seinen Namen sagte und ihn aufzuhören bat, keuchte er nur: »Oh, Maggie«, als hätte sie etwas Nettes zu ihm gesagt. Mit aller Macht versuchte sie ihre Arme freizubekommen, bis ihr die Kräfte ausgingen. Paul blieb lange auf ihr.
    Schließlich rollte er sich zur Seite, sah sie an und lächelte. Sie wollte nach ihm schlagen und treten, fürchtete aber, er könnte ihre Faust oder ihren Fuß festhalten, und vor allem wollte sie dringend von ihm wegkommen. Also sammelte sie ihre Kleider vom Boden auf und trug sie ins Nebenzimmer. Mit zitternden Händen zog sie sich an und wünschte sich, sie hätte noch mehr zum Anziehen. Ihre Büchse und ihre Flinte standen im Ständer neben ihr, aber ohne Munition waren sie nutzlos. Die Flinte könnte sie vielleicht als Knüppel benutzen, bis Paul sie ihr entriss. Die Patronen hatte sie beim Zielschießen verschwendet, weil sie davon ausgegangen war, dass Brian ihr neue mitbringen würde. Von jetzt an wusste sie es besser: Sie würde sich nicht mehr darauf verlassen, dass jemand ihr half oder sie beschützte.
    Margo schnürte die Stiefel zu und zog die Jacke an. Sie spielte mit dem Gedanken, in den Wald abzuhauen, um Paul nicht mehr gegenübertreten zu müssen, aber sie wollte ihr Boot nicht zurücklassen. Sie konnte auch ins Boot steigen und davonrudern, aber wenn Paul es darauf anlegte, hätte er sie mit dem Schnellboot ruck, zuck eingeholt. Außerdem gab es jetzt, wo er mit ihr getan hatte, was er wollte, keinen Grund mehr zur Flucht. Sie nahm das Fleischermesser und trat an die Schlafzimmertür. Während sie dort stand, testete sie die Schärfe, indem sie sich die Spitze am Handgelenk in die Haut stach. Ein Blutstropfen quoll hervor. Sollte Paul noch einmal über sie herfallen, würde sie sich damit verteidigen.
    »Hab seit Jahren kein Plumpsklo mehr benutzt«, sagte Charlie, als er durch den Vorbau hereinkam. »Ist verdammt entspannend.«
    Margo kehrte zu ihrem Pfannkuchenteig zurück und legte das Messer weg.
    »Du machst uns Frühstück?«, fragte Charlie. »Bist ein nettes Mädchen.«
    »Charlie, nimmst du Drogen?«
    »Ach woher«, antwortete er. »Aber Paul sagt, mit dem Zeug da draußen können wir richtig Kohle machen.«
    »Und was ist mit Paul? Brian hat gesagt, er ist clean.«
    Charlie zuckte mit den Achseln. Als er kurz wegblickte, spuckte Margo in den Teig. Und als sie sah, dass sich noch etwa ein Dutzend Mottenlarven im Sieb befanden, schüttete sie sie hinein und rührte um.
    Als Paul und Charlie mit dem Motorboot den Fluss hochdonnerten, verfolgte Margo sie mit dem Lauf ihrer ungeladenen Büchse, nahm Paul ins Visier und drückte ab. Vor der Abfahrt hatte Paul ihr etwas Proviant aus seiner Kühlbox auf den Tisch gelegt: ein Stück hartrindigen Käse, Dauerwurst und ein paar Packungen Kräcker. Im ersten Moment hatte sie die Sachen vom Tisch fegen wollen, aber dann war ihr wieder eingefallen, wie hungrig sie war. Als Paul Anstalten machte, sie vor dem Einsteigen auf den Mund zu küssen, wandte sie sich ab und spuckte zu Boden. Er lachte wie über einen guten Witz. Erst später fand sie die zwei Zwanzigdollarscheine auf ihrem Kopfkissen.
    Sie ging hinaus, zog die Jeans aus, ging neben der Pumpe in die Hocke und schrubbte sich mit kaltem Wasser zwischen den Beinen, bis sie wund war.
    Später hängte sie sich das leere Gewehr um, um sein Gewicht zu testen. Das Seil schnitt in ihre Schulter, es schmerzte sie schon seit einer Weile. An einem Haken im Schrank entdeckte sie zwei Ledergürtel. Sie schnitt die Schnallen ab, stanzte mit Hammer und Schraubenzieher Löcher in die Riemen und nähte sie mit Angelschnur zusammen. Die richtige Länge ermittelte sie, indem sie die Büchse ein paarmal flink von der linken Schulter zog, anlegte und mit dem rechten Zeigefinger abdrückte. Sie fand, dass ihr selbst gemachter Schießriemen so schön und solide geraten war wie der an der alten Remington ihres Daddys, mit der sie das Wettschießen bei der Landjugend gewonnen hatte. Eine Ewigkeit schien das her!
    Margo machte sich ein Abendbrot aus Käse, Kräckern, Dauerwurst und wilden Brombeeren und war froh, nicht wieder Fisch essen zu müssen.
    Obwohl sie wusste, dass Rache genauso viel Schmerz hervorrufen wie lindern könne, hoffte sie, dass sie Paul seine Tat

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