Stromschnellen: Roman (German Edition)
Unkraut benetzte den Saum ihrer Hosenbeine. Überall dort, wo der Efeu bei seinem Streben nach Sonnenlicht zu den Baumspitzen emporgeklettert war, hatten sich seine Dreiecksblätter bereits blutrot verfärbt.
Margo legte Ruder, Lebensmittel und Munition auf den Boden und betrat das gelbe Haus durch den Seiteneingang. Sie stand in einer weiß gestrichenen Küche mit gelb-schwarz-weiß gefleckten Arbeitsplatten und glänzendem Holzboden. Allerdings fehlte die Sockelleiste, sodass unten an der Wand ringsherum ein ungleichmäßiger Spalt klaffte. Die Arbeitsplatten waren aufgeräumt und sauber und der Boden gewischt, aber auf dem Tisch herrschte ein sympathisches Durcheinander aus Zeitungen und Büchern. »Zum Bad geht es da lang, falls du es brauchst. Möchtest du einen Kaffee?«, fragte der Mann.
Sie nickte und wagte sich quer durch die Küche in einen Raum vor, eigentlich das Wohnzimmer, in dem jedoch ein großes Bett mit glatt gezogener Tagesdecke stand. Margo ging um das Bett herum und blickte durch die Glasschiebetür. Ein Stück flussaufwärts lag der MerCruiser am Steg des heruntergekommenen grünen Stelzenhauses. Sie entriegelte die Schiebetür und öffnete sie einen Spalt, um notfalls auf diesem Weg fliehen zu können.
Die oberste Schublade der Kommode am Fußende des Betts stand eine Handbreit offen und gab den Blick auf ein Fach mit weißen BH s und Unterwäsche frei. Margo fuhr mit dem Finger über die Muschelsaumborte eines Büstenhalters. Solch raffinierte Dessous hatte ihre Mutter auch gern getragen, und wahrscheinlich trug sie sie in Lake Lynne jetzt ständig. Luanne hatte sich immer über das eisenhaltige Wasser beklagt, das ihre Weißwäsche verfärbte, und auch über den Grünspan, der im Schrank über ihre Lederschuhe kroch.
Als der Mann im Türrahmen erschien, schob Margo die Schublade hastig zu.
»Oh, keine Sorge. Sie ist schon lang weg. Wahrscheinlich hat sie die Sachen für meine neue Freundin hiergelassen.«
»Das tut mir leid.«
Er reichte Margo einen Becher Kaffee, den er mit einem Schuss Sahne aufgehellt hatte. Margo und Brian hatten den Kaffee immer stark und schwarz getrunken, aber sie hatten in der Hütte nur Fertigkaffee gehabt. Sie sog das Aroma so tief ein, dass sie sich an der Kommode festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Tags zuvor hatte sie an der Tankstelle von Heart of Pines eine Portion Pommes gegessen, seitdem nichts mehr.
»Möchtest du duschen?«, fragte er.
»Nein, danke.«
»Du kannst die nassen Sachen nicht anbehalten. Nimm dir was von Danielles Kleidern.«
Margo sah zwischen der Kommode und dem Mann hin und her.
Er lachte. »Ich wollte das ganze Zeug sowieso in den Fluss werfen, damit es weggespült wird. Also nimm dir ruhig, was du willst.«
Beharrlich sah Margo die Hündin an, die vor der Kommode auf einem Läufer lag. Nach etwa einer Minute ging der Mann zurück in die Küche. Sie nahm einen großen Schluck Kaffee in den Mund, er schmeckte so köstlich, dass sie ihn nicht herunterschlucken wollte.
Dann sah sie sich nach einer Abstellmöglichkeit für ihre Tasse um, denn sie wollte auf der Kommode keinen ringförmigen Abdruck zurücklassen. Eigentlich wollte sie überhaupt keine Spuren hinterlassen. Schließlich stellte sie die Tasse auf den noch unversiegelten Holzboden. In der mittleren Kommodenschublade fand sie ordentlich zusammengelegte Blusen in Pink, Weiß und Mintgrün. Die letzte Schublade enthielt mehrere Jeans des Mannes. Margo zog ein verwaschenes Paar an, schnürte die Hose an der Taille mit seinem schäbigsten Gürtel fest und schlug die Hosenbeine um. In derselben Schublade entdeckte sie ein T-Shirt und ein dunkelblaues Sweatshirt. Ihre schmutzigen Sachen legte sie im angrenzenden Badezimmer über den Wannenrand.
Sie nahm die Kaffeetasse vom Boden auf. Von diesem Zimmer ging noch eines ab, das eigentliche Schlafzimmer, das jedoch nur aus den nackten Ständerwänden bestand. Mitten im Raum ruhte auf Sägeböcken das geschwungene Holzgerippe eines Ruderboots, das größer und tiefer als Margos Flachbodenboot war. Als Margo zurück in die Küche kam, machte der Mann gerade etwas zu essen. Vielleicht hätte sie sich entspannt, wenn ihr Gewehr und ihr Rucksack neben dem Strohbesen in der Ecke gestanden hätten, anstatt, in Kaninchenfelle gewickelt, bei Paul in der Hütte unter dem Bett zu liegen. Der Mann entschuldigte sich für das »Chaos« und stellte ein paar Dinge auf den runden Tisch. Dabei blitzte jeder Gegenstand auf,
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