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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Vielfraß – so hatte er das Tier genannt – bekam man als Mensch kaum jemals zu Gesicht, und einfangen ließ er sich schon gar nicht. Margo hätte ihren Großvater gern gefragt, ob es sein konnte, dass ein Hirsch einen Vogel frisst. Oder dass ein Reiher sich an eine Patrone heranpirscht und ihr diese zuwirft. Sie hängte ihren nassen Schlafsack über den Grabstein, um ihn im letzten Sonnenlicht zu trocknen, und machte sich dann auf die Suche, bis sie auf dem Boden einen kleinen flachen Stein mit Gravur entdeckte. Sie fuhr die Buchstaben mit dem Finger nach und wiederholte ein ums andere Mal den Namen Bernard Crane, Bernard Crane, Bernard Crane , wie eines von Joannas Rosenkranzgebeten. Er war der einzige Crane auf dem Friedhof. Seine Mutter, Dorothy Crane, war zu einer Cousine nach Florida gezogen, dort an Frauenkrebs, wie ihr Vater es genannt hatte, gestorben und auch beerdigt worden. Margo hatte sie nie kennengelernt.
    »Mir geht’s gut, Daddy. Mach dir um mich keine Sorgen. Aber ich kann einfach nicht mehr bei den Murrays wohnen«, sagte sie leise. »Keine Sorge, ich werde nie wieder jemanden erschießen.«
    Prüfend betrachtete Margo das Gras rund um seinen Grabstein und überlegte, wo wohl die Kiste mit seiner Asche vergraben war. Ein Stück vor dem gravierten Stein entdeckte sie eine leicht eingesunkene rechteckige Stelle in der Grasnarbe. Sie schnürte Brians kleine Militärschaufel vom Rucksack los, klappte sie auseinander und grub gut drei Handbreit tief, bis sie auf Widerstand stieß. Sie fuhr mit dem Graben fort und kratzte die Erde beiseite. Ihr Blick fiel auf ein stumpfes Metall. Margo machte weiter, bis sie die Kanten freigelegt hatte. Die Kiste war etwa so groß wie die unter Cranes Bett, in der die Geburtsurkunden, Scheidungspapiere und der Grundstücksvertrag gelegen hatten. Margo grub um die Kiste herum, bis sie vollständig freilag, und wischte den Schmutz von der bronzefarbenen Plakette, auf der wie auf der Grabplatte Bernard Crane, 1947   –   1979 stand.
    Die Kiste war schwerer als erwartet. Sie wog etwa drei bis vier Kilo, und Margo war sich ziemlich sicher, dass sie in der Metallfabrik gefertigt worden war, vielleicht von jemandem, der ihren Vater geschätzt hatte. Die Schweißnähte waren sehr sorgfältig glatt geschliffen worden, die Kiste selbst mit einer dunkelgrauen Emailleschicht überzogen. Cal war Cranes Wünschen also nachgekommen. Margo fegte die restliche Erde weg und presste die Wange an das kühle Metall. Jetzt, wo sie die Kiste in den Händen gehalten hatte, konnte sie sie nicht mehr zurück ins Grab legen. Sie füllte das Loch mit dem Aushub und ein wenig Silt aus dem Fluss, kämmte ein paar letzte Erdkrümel aus dem Gras und setzte die Narbe so genau wie möglich wieder ein. In dieser Nacht schlief sie auf dem Friedhof nahe am Fluss. Kurz nachdem sie eingenickt war, wurde sie von Schreien geweckt, und es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass es keine Geister oder Menschen waren, sondern Waschbären. Am Morgen erwachte sie taunass und mit Blick auf das blaue Fabrikgebäude, das orangefarbenen Qualm über den Fluss blies. Ein Tieflader fuhr gerade rückwärts an eine geöffnete Laderampe. Der Parkplatz war halb gefüllt, überwiegend mit Pick-ups. Margo hängte Zeltplane, Schlafsack und nasse Kleidung zum Trocknen über mehrere Grabsteine und schaute auf den Fluss, was ihr nie langweilig wurde.
    Als sie schließlich aufbrach, klemmte sie sich die Kiste mit der Asche unter den Arm. Damit würde sie noch langsamer vorankommen, aber für Margo stand fest, dass sie ihren Vater diesmal nicht zurücklassen konnte. Sie marschierte ein paar Meilen flussabwärts und rastete hinter einem Windschutz neben dem Feld eines Farmers. Sie befürchtete allmählich, sie könnte Billy beim Flussaufwärtsrudern verpasst haben, während sie tiefer als beabsichtigt geschlafen hatte. Vielleicht hatte er das Boot aber auch irgendwo auf der anderen Seite des Flusses versteckt, obwohl es dort ihres Wissens keine Nebenflüsse gab. Oder hinter einem Ölfässerfloß, obwohl sie sich wirklich gründlich umgesehen hatte. Sie wanderte weiter, bis sie den nagelnden Dieselmotor eines großen Schlegelgrasmähers hörte. Jemand drosch Luzerne. Sie schlug ihr Lager dicht am Wasser auf.
    An den beiden folgenden Tagen zog sie weiter flussabwärts. Zwischen den Pausen schaffte sie immer nur rund eine Meile und landete schließlich auf dem Rastplatz des Pokagon Mound im State Park, dem Naturschutzgebiet. Dass

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