Studio 6
den Türrahmen in der Küche. »Sie werden sicher fragen, wie Jossie so war. Wie es ihr ging …«
Patricia stellte das Glas mit einem leisen Krachen auf der Spüle ab und sah Joachim in die Augen.
»Ich werde niemals etwas sagen, das für Jossie schlecht sein könnte«, sagte sie bestimmt.
Der Mann sah zufrieden aus.
»Komm mal mit«, sagte er und legte ihr den Arm um die Schultern. Er zog sie mit sich durch den Flur ins Schlafzimmer und zu Josefines Kleiderschrank.
»Schau mal«, sagte er und fuhr mit der freien Hand durch Jossies teure Kleider. »Gibt es etwas, das du gern hättest? Das hier vielleicht?«
Er hielt ein grell rosafarbenes, auf Figur geschneidertes Kleid aus Seide und Wolle mit großen Goldknöpfen hoch.
Josefine hatte es geliebt. Sie fand, dass sie darin aussah wie Prinzessin Diana.
Patricia schossen die Tränen in die Augen. Sie schluckte schwer. »Aber, Joachim, ich werde doch nicht …«
»Nimm es. Du bekommst es.«
Sie fing an zu weinen. Er ließ sie los und hielt ihr das Kleid an. »Du hast ein wenig zu kleine Titten, aber da können wir vielleicht was machen«, sagte er und lächelte sie an.
Patricia hörte auf zu weinen, schaute an sich herunter und nahm den Bügel.
»Danke«, wisperte sie.
»Du kannst es zur Beerdigung tragen«, sagte er.
Sie hörte ihn in die Küche gehen, etwas aus dem Kühlschrank holen und die Wohnung verlassen.
Patricia stand immer noch in Josefines Schlafzimmer, wie festgefroren in der Hitze.
Die Konkurrenz hatte mit dem Vater gesprochen. Natürlich sagte er nichts von Interesse, sondern nur, dass er es nicht fassen könne, dass sie fort sei, aber trotzdem. Sie hatten auf jeden Fall einen Minuspunkt in Sachen Interviews.
»Man weiß nie, woher der Wind weht«, meinte Berit.
»Wenn die von der Konkurrenz Pech haben, haben sie bald eine Diskussion über Ethik in der Presse am Hals.«
»Weil sie sich an die Angehörigen rangemacht haben?«, fragte Annika und überflog den Artikel.
Berit nickte und trank einen Schluck Mineralwasser.
»Man muss ziemlich vorsichtig sein, wenn man so etwas macht«, sagte sie. »Manche wollen reden, viele wollen es nicht. Man darf nie jemanden dazu verleiten, etwas zu sagen. Hast du auch die Eltern angerufen?«
Annika legte die Zeitung zusammen und schüttelte den Kopf.
»Ich habe es nicht über mich gebracht. Es schien mir einfach falsch zu sein.«
»Das ist keine gute Richtschnur«, sagte Berit ernst. »Nur weil es dir unangenehm ist, muss es das noch lange nicht für die anderen sein. Es kann den Angehörigen ein Gefühl der Sicherheit geben, zu wissen, was die Zeitungen schreiben.«
»Du findest also, dass die Medien immer bei den Angehörigen anrufen sollen, wenn ihre Kinder gestorben sind?«
Annika hörte selbst, wie aggressiv sie klang.
Berit trank von ihrem Mineralwasser und dachte nach.
»Na ja, das muss man von Fall zu Fall entscheiden. Das Einzige, was man sicher sagen kann, ist, dass die Menschen unterschiedlich reagieren. Es gibt kein allgemein gültiges Urteil über richtig und falsch. Man muss sehr vorsichtig und hellhörig sein, damit man niemandem Schaden zufügt.«
»Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich nicht angerufen habe«, sagte Annika, stand auf und holte sich einen Kaffee.
Als sie mit dem dampfenden Getränk zurückkam, war Berit zu ihrem Schreibtisch gegangen.
Annika fragte sich, ob sie ihre Kollegin gekränkt hatte.
Sie sah Berit am anderen Ende der Redaktion über eine Zeitung gebeugt.
Schnell nahm sie den Hörer und wählte Berits Kurzwahl.
»Bist du sauer auf mich?«, fragte sie und begegnete dem Blick der Kollegin.
Annika sah ihr Lachen und hörte es in der Leitung.
»Überhaupt nicht. Du musst selbst herausfinden, was für dich richtig ist.«
Das Idiotentelefon klingelte, und Annika wechselte den Apparat.
»Was kriege ich für einen richtig guten Tipp?«, fragte eine erregte Männerstimme.
Annika verdrehte die Augen und gab die Informationen.
»Okay«, sagte der Mann. »Hören Sie gut zu. Schreiben Sie mit?«
»Jaja«, sagte Annika, »kommen Sie zur Sache.«
»Ich weiß von einem Fernsehpromi, der sich Frauenklei der anzieht und in obszöne Sexklubs geht«, sagte der Mann und platzte fast vor Stolz.
Er nannte den Namen eines der populärsten und beliebtesten Moderatoren. Annika kochte vor Wut.
»Was für ein unglaublicher Scheiß«, sagte sie. »Glauben Sie wirklich, das
Abendblatt
würde einen derartigen Blödsinn veröffentlichen?«
Der Mann in der Leitung wurde
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