Stürmische Begegnung - zauberhafte Eroberung
ihrem Spitzentaschentuch in Hesters Richtung. „Gut, dann fort mit Ihnen. Ich werde hier unterdessen die nötigen Vorkehrungen treffen. Nehmen Sie bitte Ihre Freundin mit, und einen der Diener. Meine Kutsche steht Ihnen den ganzen Vormittag zur Verfügung. Und machen Sie nicht so ein Gesicht: Lensboroughs Verlobte geht niemals zu Fuß.“
Hester schluckte ihren Protest hinunter: Die Marquise war als Verbündete schon furchterregend genug; es wäre dumm gewesen, sie sich erneut zur Feindin zu machen.
Als Hester einige Stunden später in die Brook Street zurückkehrte, hatte das Schicksal der Frauen, um die ihre Freundin sich kümmerte, ihre eigenen Sorgen bereits gründlich relativiert.
Jasper war da gewesen und hatte eine Nachricht hinterlassen: Er würde sie morgen früh zu einem Ausritt abholen, sofern sie sich kräftig genug fühlte.
Am nächsten Morgen sprang Hester noch vor Anbruch der Dämmerung aus dem Bett und zog ihre Reitkleidung an. Die Aussicht, der einschüchternden Atmosphäre der Brook Street zu entkommen, war verlockend.
Sobald die Zofe Lord Lensboroughs Ankunft meldete, stürmte Hester die Treppe hinab und zu den Stallungen. Für Emily hatte er eine freundliche kleine braune Stute mitgebracht, und sie selbst würde auf Strawberry reiten.
Stephen Farrar war ebenfalls gekommen und tippte sich mit der Gerte an die Hutkrempe. „Guten Morgen, Lady Hester, Miss Dean.“
Jasper lenkte seinen Hengst neben sie, sobald sie aufgesessen war. „Wie geht es dir?“, fragte er leise.
„Ich bin froh, endlich wieder auf dem Pferderücken zu sitzen, Myl… Jasper.“
Mit einem wenig begeisterten Blick auf die düstere, leere Straße meinte er: „Eine unchristliche Uhrzeit – aber die einzige, zu der man in London vernünftig reiten kann.“
„Auch galoppieren?“
Seine Miene hellte sich auf. „Die einzig wahre Art, den Tag zu beginnen, nicht wahr? Dieses Modevolk, das den Morgen verschläft und den Hyde Park nur im Gedränge erlebt, kann einem leidtun.“
Sobald sie das Grosvenor Gate passiert hatten, brachten sie ihre Tiere auf Trab. Außer dem Pochen der Hufe auf dem Boden und gelegentlichem Vogelgezwitscher war kein Laut zu hören; man hätte sich fast auf dem Lande wähnen können.
Lensborough führte Hester zu einer offenen Wiese, und sie ließen ihre Pferde galoppieren. Einige Minuten lang konnten sie alle Sorgen hinter sich lassen.
Als sie an einem kleinen Wäldchen innehielten, war von Emily und Stephen keine Spur mehr zu sehen.
Lensborough lachte. „Wir haben unsere Anstandswächter abgeschüttelt.“
„Sollen wir zurückreiten und sie suchen?“
„Noch nicht.“ Er griff ihr in die Zügel. „Das könnte unsere letzte Chance für ein ungestörtes Gespräch sein.“
„Gibt es denn etwas zu besprechen?“
„O ja. Ich möchte dir noch einmal anbieten, die große Zeremonie abzusagen, die meiner Mutter vorschwebt, und in aller Stille zu heiraten. Wir könnten es damit begründen, dass ich noch um meinen Bruder trauere.“
Hester konnte seinen Gesichtsausdruck im Schatten der Bäume kaum erkennen. Vermutlich wollte er ihr auf möglichst höfliche Weise zu verstehen geben, dass sie seines Erachtens den Anstrengungen eines großen gesellschaftlichen Ereignisses nicht gewachsen war. Wahrscheinlich dachte er daran, wie unmöglich sie sich schon bei der Verlobungsfeier im Familienkreis benommen hatte.
Im Schatten der Bäume fröstelnd, lenkte sie Strawberry ans Licht zurück. „Deine Mutter freut sich so darauf, das wichtigste Ereignis der Saison auszurichten. Ich möchte sie nicht enttäuschen – gerade jetzt nicht, da sie gewillt ist, mich zu akzeptieren.“
„Und was ist mit deinen Wünschen? Ich will doch nur …“
Hester hob den Kopf. War ihm denn nicht klar, wie eine bescheidene Privattrauung gedeutet werden würde: als Eingeständnis, dass er sich ihrer schämte?
„Wie du sehr wohl weißt, spielen meine Wünsche hierbei keine Rolle. Wenn deine Mutter sich amüsiert, hat wenigstens ein Mensch etwas von dieser Farce.“
Mit klopfendem Herzen erwartete Hester eine gleichermaßen schroffe Antwort, aber zu ihrem Erstaunen erkundigte er sich nur höflich, wie sie den restlichen Tag zu verbringen gedachte.
Nervös erklärte sie ihm: „Deine Mutter will mich zu ihrer Schneiderin bringen.“
Er sah sie spöttisch an. „Aus deinem Munde klingt das wie eine Strafe.“
„So ist es. Ich kann es nicht ausstehen, wenn mich jemand ausmisst und betastet.“
Nach kurzem Schweigen
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