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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Dann bog ich um eine Ecke und sah das weiße Tor in einer niedrigen Feldsteinmauer, eine Zufahrt führte vom Weg hinunter und verschwand in einer eleganten Kurve, gesäumt von hohen Hecken aus Steinbrech und Ulmen, die der Wind zu unnatürlichen Formen verkrümmt hatte.
    Das Haus war nicht zu sehen. Am offenen Tor blieb ich stehen und blickte die Zufahrt hinunter, und mein Mut schwand wie Badewasser, wenn der Stöpsel aus der Wanne gezogen ist. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte oder was ich, wenn ich es denn getan hatte, sagen sollte.
    Zum Glück nahm mir jemand anders den Entschluß ab. Ich hörte, wie unten am Haus, außerhalb meines Blickfelds, ein Mo tor angelassen wurde und ein Wagen mit ziemlich großer Ge schwindigkeit bergan auf mich zukam. Es war ein offener Sport wagen, ein älteres und teures Modell, soweit ich es beurteilen konnte, und ich trat zur Seite, um es vorbeizulassen. Es sauste den Hügel hinauf, in die Richtung, aus der ich gekommen war, aber ich hatte genug Zeit gehabt, um den Fahrer zu sehen, und den schönen Irischen Setter, der mit dem hingerissenen und glücklichen Ausdruck aller Hunde, die auf eine Spazierfahrt mit genommen werden, auf dem Rücksitz thronte.
    Ich dachte, der Fahrer hätte mich gar nicht bemerkt, aber ich irrte mich. Einen Moment später hielt das Auto mit quietschen den Bremsen, und hinter den Reifen spritzten kleine Kieselsteine hervor. Dann näherte es sich mir im Rückwärtsgang, fast ebenso schnell, wie es eben gefahren war. Es hielt, der Motor wurde abgestellt, und Eliot Bayliss betrachtete mich, einen Arm auf dem Lenker, über den freien Beifahrersitz hinweg. Er hatte keine Mütze auf und trug eine Lammfelljacke. Halb amüsiert, halb neugierig sah er mich an.
    „Hallo“, sagte er.
    „Guten Morgen.“ Ich kam mir in meinem alten Mantel und mit den vom Wind zerzausten Strähnen im Gesicht ein bißchen blöd vor. Verstohlen strich ich mir das Haar aus dem Gesicht.
    „Haben Sie sich verirrt?“
    „Nein.“
    Er fuhr fort, mich zu betrachten, nun mit einem leichten Stirn runzeln. „Ich hab Sie doch gestern abend gesehen, nicht wahr? Unten im Anchor? Mit Joss.“
    „Ja.“
    „Suchen Sie ihn? Soweit ich weiß, ist er noch nicht gekommen.
    Das heißt, wenn er beschlossen hat, heute zu kommen.“
    „Nein. Ich meine, ich suche ihn nicht.“
    „Wen suchen Sie dann?“ fragte Eliot Bayliss freundlich. „Ich… Ich möchte zu dem alten Mr. Bayliss.“
    „Dazu ist es noch etwas zu früh. Er pflegt erst gegen Mittag zu erscheinen.“
    „Oh.“ Daran hatte ich nicht gedacht. Ich muß ein bißchen enttäuscht dreingeblickt haben, denn er fuhr ebenso freundlich und verbindlich fort: „Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Ich bin Eliot Bayliss.“
    „Ich weiß. Ich meine… Joss hat es mir gestern abend gesagt.“ Er runzelte wieder die Stirn. Offensichtlich wußte er nicht, welchen Reim er sich aus meiner Beziehung zu Joss machen sollte.
    „Warum möchten Sie meinen Großvater besuchen?“
    Als ich nicht antwortete, lehnte er sich plötzlich herüber, machte die Beifahrertür auf und sagte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: „Steigen Sie ein.“
    Ich tat es und machte die Tür wieder zu. Ich spürte seinen Blick auf mir, dem formlosen Mantel, den geflickten Jeans. Der Hund beugte sich vor und beschnüffelte mein Ohr. Seine Nase war kalt. Ich langte nach hinten und streichelte sein langes seidiges Fell.
    „Wie heißt er?“
    „Rufus. Der rote Rufus. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
    Wieder kam etwas dazwischen, das mich rettete. Ein anderer Wagen. Diesmal war es das knallrote Postauto, das munter den Feldweg herunterbrauste. Es hielt, und der Postbote kurbelte das Fenster herunter und rief Eliot aufgekratzt zu: „Wie soll ich die Post bringen, wenn Sie das ganze Tor versperren?“
    „Entschuldigung“, sagte Eliot ungerührt, stieg aus und ließ sich eine Handvoll Briefe und eine Zeitung geben. „Ich nehm sie mit, dann brauchen Sie nicht ganz zum Haus runter.“
    „Sehr gut“, sagte der Postbote. „Wär’ schön, wenn mir jeder so die Arbeit abnehmen würde.“ Dann wendete er und fuhr mit einem breiten Lächeln und einem Winken wieder fort, vermut lich zu dem nächsten abgelegenen Haus.
    Eliot stieg wieder ins Auto. „Hm… “ Er lächelte. „Was soll ich mit Ihnen machen?“
    Aber ich hörte ihn kaum. Die Post lag auf seinem Schoß, zu oberst ein Luftpostbrief mit dem Poststempel von Ibiza, an Mr. Grenville Bayliss. Die

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