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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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wahr?“
    „Ja.“
    „Ich denke… Wir sind besser vorsichtig, was diesen Brief von Mr. Pedersen angeht. Vielleicht wäre es das beste, wenn meine Mutter…“
    „Ja, natürlich.“
    „Es ist ein Glück, daß Sie den Brief gesehen haben.“
    „Ja. Ich hatte mir gedacht, daß er wahrscheinlich schreiben würde. Aber ich fürchtete, ich würde diejenige sein, die Ihnen die Nachricht überbringt.“
    „Und nun ist es Ihnen abgenommen worden.“ Er lächelte und sah auf einmal viel jünger aus, ungeachtet der merkwürdigen Au gen und der dichten Silberhaare. „Warum warten Sie nicht hier, und ich hole meine Mutter und erkläre ihr kurz alles. Möchten Sie eine Tasse Kaffee oder etwas anderes zu trinken?“
    „Nur, wenn es keine Umstände macht.“
    „Es macht keine. Ich sage Pettifer Bescheid.“ Er öffnete die Tür. „Machen Sie es sich bequem.“
    Die Tür fiel leise ins Schloß, und er war fort. Pettifer. Pettifer war auch bei der Navy gewesen, er kümmerte sich um meinen Vater und fuhr manchmal den Wagen, und Mrs. Pettifer war die Köchin. Das hatte meine Mutter mir erzählt. Und Joss hatte mir erzählt, daß Mrs. Pettifer gestorben sei. Aber damals waren Lisa und ihr Bruder oft zu ihr in die Küche gegangen, und sie hatte ihnen Toast mit Butter gegeben. Sie hatte die Vorhänge zugezo gen, um Regen und Dunkelheit fernzuhalten, und bei ihr hatten die Kinder sich sicher und geborgen gefühlt.
    Ich betrachtete das Wohnzimmer. Ich sah eine Aufsatzvitrine, die orientalische Schätze enthielt, darunter einige kleine Jade figuren, und fragte mich, ob es die waren, die meine Mutter erwähnt hatte. Ich blickte mich um und dachte, daß ich vielleicht auch den venezianischen Spiegel und den kleinen Schreibsekre tär entdecken würde, aber dann wurde meine Aufmerksamkeit von dem Bild über dem Kaminsims gefesselt. Ich vergaß alles andere und trat näher, um es zu betrachten.
    Es war das Porträt eines Mädchens, gekleidet nach der Mode der frühen dreißiger Jahre, schlank, knabenhaft, in einem weißen Kleid, das gerade, ohne jede Andeutung von Taille, herunter hing. Sie hatte dunkles Haar und einen Pagenschnitt, der den langen schmalen Hals besonders zur Geltung kommen ließ. In der Hand hielt sie eine langstielige Rose; das Gesicht konnte man nicht sehen, denn sie blickte fort vom Betrachter, aus irgend einem unsichtbaren Fenster in den Sonnenschein hinaus. Der Kopf war rosa und golden überhaucht, und Sonnenschein schien den dünnen Stoff des Kleides zu tränken und zu durchdringen. Die Wirkung war unbeschreiblich, beinahe verzaubernd.
    Die Tür wurde plötzlich geöffnet, und ich fuhr erschrocken herum, als ein stattlicher alter Mann mit Glatze den Raum betrat. Seine Haltung war etwas gebückt, und er machte vorsich tige Schritte. Er hatte eine randlose Brille auf der Nase und trug ein gestreiftes Hemd mit einem altmodischen gestärkten Kragen und darüber eine blauweiße Metzgerschürze.
    „Sind Sie die junge Dame, die einen Kaffee möchte?“ Er hatte eine tiefe, kummervolle Stimme, die mich zusammen mit dem Äußeren unwillkürlich an einen griesgrämigen Bestattungs unternehmer denken ließ.
    „Ja, wenn es nicht zuviel Mühe macht.“
    „Milch und Zucker?“
    „Keinen Zucker, nur ein bißchen Milch. Ich hab mir gerade das Bild angesehen.“
    „Ja. Es ist sehr hübsch. Es heißt     „Man kann das Gesicht nicht erkennen.“
    „Nein.“
    „Ist es von meinem… Ist es von Mr. Bayliss?“
    „O ja. Es hing in der Akademie und hätte hundertmal ver kauft werden können, aber der Commander wollte sich nicht davon trennen.“ Während er dies sagte, nahm er behutsam seine Brille ab, und nun starrte er mich an. Seine alten Augen waren wasserhell. „Sie haben mich eben, als Sie gesprochen haben, einen Moment lang an jemanden erinnert. Aber Sie sind jung, sie muß jetzt schon sehr viel älter sein. Und ihre Haare waren schwarz, wie eine Amsel, hat Mrs. Pettifer immer gesagt. Schwarz wie der Flügel einer Amsel.“
    „Hat Eliot es Ihnen nicht gesagt?“ sagte ich.
    „Was denn?“
    „Sie sprechen von Lisa, nicht wahr? Ich bin Rebecca. Ihre Tochter.“
    „Oh…“ Er setzte die Brille wieder auf, und ich glaubte zu sehen, daß seine Hände ein klein wenig zitterten. Seine kummer vollen Züge hellten sich auf. „Dann habe ich recht gehabt. Ich irre mich nicht oft in solchen Dingen.“ Damit trat er vor und streckte eine schwielige Hand aus. „Ich freue mich sehr, Sie ken nenzulernen… Ich

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