Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
Letitia hievte ihr ausladendes Hinterteil vom Sofa und richtete sich mit Hilfe ihres Gehstocks auf. »Na schön, wollen wir beginnen?«
Ein kleines Licht begann in Jenny zu glimmen, eine Energie, die sich in ihr ausbreitete wie der warme Schein einer Flamme. Sie sprang auf. »Ich bin bereit.« Sie kicherte aufgeregt. »Mir ist, als hätte ich mich mein ganzes Leben lang auf diesen Moment vorbereitet.«
In diesem Augenblick kam Meredith mit einem ganzen Berg von Kleidern, Hüten und Umhängen in den Salon. Als sie die Mitte des Zimmers erreichte, warf sie alles in die Luft, so dass es in einer flatternden Kaskade auf den Aubussonteppich herunterregnete.
»Es hat keinen Zweck, Tantchen«, verkündete Meredith unglücklich. »Ich hatte gedacht, dass wenigstens irgendetwas davon für Jenny passen würde, aber es ist nichts dabei. Seht nur selbst.«
Die beiden alten Damen zogen die Augenbrauen hoch und schauten mit geschürzten Lippen auf den verstreuten Kleiderhaufen auf dem Boden.
»Was ist mit dem rubinroten Kleid?«
Jenny klaubte es eilig auf und musterte es. Sie rümpfte die Nase. »Mit Verlaub, Mylady, aber der Schnitt des Kleides ist mehr für ein junges Mädchen denn für eine Frau geeignet.«
Als die Feathertons vielsagende Blicke austauschten, verbesserte sie sich hastig. »Aber ich kann das Kleid ändern. Ich brauche nur ein paar Reste Seidenstoff und ein, zwei Ellen Satinband.«
Meredith legte ihren Arm um Jennys Taille und drückte sie übermütig.
»Du bist so geschickt, Jenny. Und das kommt uns sehr gelegen. Du brauchst unverzüglich eine passende Garderobe, und
es könnte mehr Zeit kosten, als wir haben, wenn wir eine Modistin damit beauftragen.«
Jenny sank der Mut. Sie hatte sich den ganzen Morgen über ausgemalt, wie sie Tuchläden und Putzmachereien nach feinstem Samt und Seidenkrepp durchstöberte, aus denen sie sich schicke Kleider von der Art schneidern würde, wie sie sie in den Modejournalen La Belle Assemblée und Lady Violas alten Exemplaren von Ladies Monthly Magazine bewundert hatte.
Sie sah Lady Viola an, wie immer ganz in Lavendel gekleidet, doch nach einem Schnitt und Stil, der mindestens zehn Jahre aus der Mode war! Wenn man sie so ansah, würde man niemals ahnen, dass die alte Jungfer sich ebenso begeistert für die neueste Mode interessierte wie Jenny.
Ein leises Lächeln spielte um Jennys Mundwinkel, als sie sich daran erinnerte, wie sie einmal versteckt unter dem Sofapolster ein französisches Modemagazin gefunden hatte. Und plötzlich ergab alles einen Sinn. Die züchtige Lady Viola hatte eine Vorliebe für schicke Leibwäsche . Jenny wusste, dass sie recht hatte. Es musste so sein. Sie schwor sich, bei nächster Gelegenheit ihre Mutter danach zu fragen, denn aus einem unerklärlichen Grund war Mrs. Penny die Einzige, die der Lady beim Ankleiden helfen durfte.
In diesem Moment kam Mr. Edgar mit einem glänzend polierten Silbertablett herein, und obgleich sein Blick auf Lady Letitia gerichtet blieb, spürte Jenny doch seine Missbilligung ihr gegenüber. Es gefiel ihm wahrscheinlich überhaupt nicht, dass eins seiner Dienstmädchen mit der Herrschaft beisammen saß und mit ihnen plauderte wie mit ihresgleichen.
Nein, Jenny war sich sicher, dass es niemandem von den Dienstboten gefiel. Der Teufel sollte sie holen. Der Teufel sollte sie allesamt holen.
Ihr Blut war schließlich halb blau, oder etwa nicht? Sie verdiente
diese Chance, mehr als irgendjemand sonst. Und wenn ihr einer der Dienstboten deswegen dumm kam, dann würde sie ihm das rundheraus ins Gesicht sagen. Jenny nickte nachdrücklich und entschlossen.
Als sie wieder aufblickte, hatte Lady Letitia ihre Lorgnette vor die Augen gehoben und studierte die Visitenkarte, die Edgar ihr gebracht hatte. Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln, und sie sah Jenny an.
»Schau, schau, du hast bei dem Ball großen Eindruck auf Lord Argyll gemacht, meine liebe Jenny. Er hat keine Zeit vergeudet, um dir, wie erbeten, seine Aufwartung zu machen. Er wird dir morgen Nachmittag um vier Uhr einen Besuch abstatten.«
Jenny lief ein Schauer über den Rücken. »Morgen Nachmittag?« Morgen Nachmittag . Gütiger Himmel! Sie hatte noch so viel zu tun.
Mr. Edgar räusperte sich, und Jenny bemerkte erschreckt, dass er direkt vor ihr stand und ihr das Silbertablett unter die Nase hielt. Jenny griff zaudernd nach dem darauf liegenden Zettel und faltete ihn auf.
Wie seltsam. Er war in Mr. Edgars Handschrift geschrieben. Doch
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