Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
die Schrift war so kritzelig, als wäre die Botschaft in Eile geschrieben worden … oder gar - gütiger Gott - im Zorn.
Annie und ein Diener warten in der Küche. Kümmere dich um sie, sobald du kannst.
Jenny blickte schüchtern zu Edgar auf und nickte unauffällig. Es musste etwas Schreckliches passiert sein. Mr. Edgar erlaubte seinen Untergebenen gemeinhin keine Besucher. Himmel, was hatte Annie sich nur dabei gedacht?
»Schaffst du es, alles bereit zu haben, Jenny?«, fragte Meredith
und hob den Ärmel des rubinroten Kleides auf Jennys Schoß hoch. »Bis morgen Nachmittag um vier?«
»Nun …« Sie schätzte, dass sie das Kleid rechtzeitig für den morgigen Besuch des Viscounts in ein modischeres Gewand umarbeiten konnte.
Doch sie brauchte noch etwas, um dem Ganzen den nötigen Schliff zu geben. Ja - die Granatknöpfe. Sie würde auch ein Stück cremefarbenen Satin brauchen oder vielleicht etwas goldfarbenes Band. Du liebe Güte , sie musste unbedingt Einkaufen gehen, und zwar umgehend. Wer weiß, wie lange es dauern würde, bis sie die nötigen Accessoires gefunden hatte?
Jenny betrachtete das Kleid zweifelnd, dann warf sie einen verschlagenen Blick zu Lady Viola und seufzte tief. »Na ja, ich könnte das Kleid vielleicht umarbeiten - wenn ich heute und morgen keine anderen Pflichten hätte. Aber ich habe ja so viel zu tun … ich muss die Flickarbeiten für Miss Meredith erledigen und die Wäsche waschen …«
Lady Viola wandte sich zu Edgar um, der Jenny ob ihrer Unverfrorenheit mit offen stehendem Mund anstarrte. »Jenny ist heute und morgen ihrer Pflichten enthoben, Edgar. Bitte sehen Sie, ob Mrs. Penny die Arbeiten übernehmen kann, und wenn nicht, dann holen Sie ein Mädchen hier aus der Stadt zum Aushelfen.«
Edgar nickte, dann drehte er sich mit einem letzten eisigen Blick zu Jenny um und verließ den Salon.
Dies war ganz und gar nicht der Mr. Edgar, den sie kannte und liebte. Dies war ganz und gar nicht der Mann, der sie praktisch zusammen mit ihrer Mutter aufgezogen hatte. Andererseits hatte sie auch noch nie zuvor seinen Haushalt und seine Dienstboten durcheinander gebracht. Warum konnten sich nicht einfach alle für sie freuen?
Sie verdiente diese Chance, verflixt noch mal. Sie verdiente sie!
Lady Letitia ergriff die Hand ihrer Schwester und drückte sie begeistert, bevor sie ihre blauen Augen auf Jenny richtete. »Also, damit wäre alles arrangiert, Mädel. Und jetzt auf, auf. Du musst eifrig nähen, wenn du bereit sein willst, morgen Lord Argyll zu empfangen.«
Jenny sprang auf. »Vielen Dank, Myladys. Vielen, vielen Dank!« Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, knickste sie vor den beiden, was offensichtlich nicht ganz die gewünschte Wirkung hatte, denn die beiden alten Damen bogen sich vor Lachen.
Dann eilte sie zur Hintertreppe und hinunter in die Küche, um zu sehen, warum Annie vorbeigekommen war.
4
»Ganz genau, Herzchen«, erklärte Annie aufgeregt. »Ich brauche noch heute sechs Tiegel von der Prickelcreme, und Horace hier braucht zwei.«
Jenny sah sie entsetzt an. »Aber … ich habe keine Creme mehr.«
Das freudige Leuchten in Annies Augen erlosch. »Aber ich war doch dabei, als du gestern all die Zutaten gekauft hast. Du hast mir gesagt, du würdest noch am Abend mehr Creme machen.«
Jenny schaute verlegen auf den Boden. »Ich weiß, aber gestern Abend … na ja, ich bin stattdessen auf dem Feuer-und-Eis-Ball gewesen und …«
Annie lachte schallend. »Ach ja? Und welches Ballkleid hast du getragen? Dein schwarzes Sackkleid oder das braune mit der weißen Schürze? Ich muss schon sagen, ich hoffe, es war das braune. Es bringt das Grün in deinen Augen so vorteilhaft zur Geltung.«
Jenny sah Annie durchdringend an. »Ich habe Miss Merediths safranfarbenes Ballkleid getragen.«
Annies Miene wurde schlagartig nüchtern. »Du nimmst mich auf den Arm, oder, Jenny?«
»Nein. Ach, Annie, du wirst es nicht glauben. Gestern Abend ist mein größter Traum wahr geworden - ich war eine Lady. Eine echte Lady.«
Annie ließ sich auf einen Hocker plumpsen. »Aber wie denn nur?«
Jenny zog sich den anderen Hocker heran und schilderte
Annie die erstaunliche Kette von Geschehnissen, die zu eben jenem Moment geführt hatten. »Du siehst also, Annie, ich muss dieses Kleid bis morgen umändern. Ich habe auch heute Abend keine Zeit, mehr Creme zu machen. Es tut mir leid.«
Horace, der mit der Mütze in der Hand dabei gestanden hatte, scharrte nervös mit seinen Füßen.
Weitere Kostenlose Bücher