Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
geblieben. Oh, wie sehr sie sich wünschte, sie hätte den Mut, danach zu fragen. Doch sie wusste, dass sie niemals vergessen durfte, wer sie war.
Sie war eine Kammerzofe in diesem Haus. Nicht mehr.
Jenny schaute wieder auf das Kleid und strahlte glückselig.
Meredith stieß sie mit dem Ellbogen an. »Na, mach schon. Lauf in deine Kammer und probier es an. Ich kann es gar nicht abwarten, zu sehen, wie du darin ausschaust.«
Jennys Lächeln war so breit, dass ihr die Wangen wehtaten. Sie drückte die Robe fest an ihre Brust und eilte nach unten in den Dienstbotentrakt.
Keine vierundzwanzig Stunden später ergab sich bereits die Gelegenheit, die mitternachtsblaue Abendrobe zu tragen. Lady Viola hatte Lord Argyll in ihre Loge im Theatre Royal eingeladen, um dort mit ihr und ihrer Schwester, Meredith und Lady Genevieve einer Vorstellung beizuwohnen.
Jenny hatte das imposante Portal des Theaters am Beaufort Square natürlich schon oft gesehen, doch sie hätte sich nie träumen lassen, dass sie dort einmal als Zuschauerin eintreten würde. Noch dazu in einem Kleid, das eine ganze eigene Seite in La Belle Assemblée verdienen würde.
An jenem Abend betrat die kleine Gruppe über ein an das Theater angrenzendes Privathaus die Privatloge der Feathertons
- eine von nur sechsundzwanzig Privatlogen, wie Jenny stolz bemerkte. Eine ganze Suite von Ruheräumen, einschließlich eines Salons, grenzte an die Loge, um den Besitzern alle erforderlichen Annehmlichkeiten in einem eleganten Ambiente zu bieten.
Ganz wie es einem Gentleman geziemte, half Lord Argyll den beiden Feathertons zu ihren Sitzen. Umgehend wies Lady Letitias dicker Finger Meredith an, zwischen den beiden Platz zu nehmen, eine Maßnahme, die zweifellos dazu gedacht war, das Benehmen der ungezügelten jungen Lady besser im Auge behalten zu können.
Erst dann erkannte Jenny, dass demzufolge sie und Callum hinter den anderen sitzen würden, außer Sicht der wachsamen Augen der Feathertons.
Wäre dies irgendein anderer Abend gewesen, wäre es Jenny bestens zupass gekommen. Doch nicht am heutigen Abend. Obgleich sie das eleganteste Kleid in ganz Bath trug, hatte Callum sie bislang kaum eines Blickes gewürdigt.
Der Grund dafür war nach ihrem gefühlsbetonten Zusammentreffen in der Abteikirche natürlich nicht schwer zu erraten. Dennoch machte ihr das Verständnis seiner Motive seine Nichtachtung nicht leichter erträglich. Jetzt, da sie sich mehr denn je nach seiner Aufmerksamkeit sehnte, ignorierte er sie fast völlig.
Kindische Tränen brannten in Jennys Augen, und sie wandte sich vom Viscount ab und gab vor, durch das vergoldete Gitterwerk zu spähen, das die Loge der Feathertons von der nächsten trennte. Doch als die Vorstellung begann, ließ sich diese Ausflucht nicht länger anwenden, und Jenny starrte stattdessen mit verschwommenem Blick auf die gusseisernen Säulen an den Logenecken. Schon bald drohten ihre Tränen über den Wimpernrand an ihrem Unterlid zu purzeln, und sie war gezwungen, die fantasievoll bunt bemalte Decke zu
studieren, um nicht selbst ein peinliches Schauspiel abzugeben.
Bah! Warum führte sie sich so töricht auf? Sie sollte sich einfach die Augen abwischen und sich auf das Stück konzentrieren. Schließlich war sie noch nie zuvor im Theater gewesen, und es tat ihr sicher gut, sich ein wenig Kultur zu Gemüte zu führen, oder nicht?
Und so löste sie, ohne den Blick von der Decke abzuwenden, die Kordel ihres Retiküls und suchte mit ihren Fingern darin nach einem Taschentuch. Leider raubten ihr ihre neuen und daher noch sehr steifen Glacéhandschuhe praktisch jeglichen Tastsinn, und sie war gezwungen, einen Handschuh abzustreifen, um ihr Ziel zu erreichen.
Und dann berührte er sie.
Callums ebenfalls bloße Hand ergriff die ihre und drückte sie tröstlich. Ohne einen Gedanken an die Tränen, die in ihren Augen schwammen, riss sie den Blick von der Decke los und sah den Viscount überrascht an.
Durch die Bewegung lösten sich zwei dicke Tropfen aus ihren Wimpern und fielen auf ihre Wangen.
Sogleich hielt Callum ihr sein Taschentuch hin, und sie nahm es dankbar entgegen. Es fühlte sich warm an, und sie machte sich eilig daran, ihre Augen trocken zu tupfen.
Oh nein .
Es kam doch nicht aus seinem … Jenny schielte gerade rechtzeitig zur Seite, um zu sehen, wie Argyll die Silberschnalle an seinem Sporran schloss. Oh lieber Gott im Himmel, er hatte es wirklich aus seiner Kilttasche geholt .
Als sie wieder aufschaute, sah
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