Stürmische Liebe in Cornwall
mögliche Personen.
Es fiel ihr schwer, schlecht von Miss Trevor zu denken, die ihr treu und sanftmütig zu sein schien, und warum der langjährige Arzt seiner Patientin etwas anhaben sollte, war Marianne ebenfalls nicht ersichtlich – was bedeutete, dass der Cousin Joshua Hambleton der Hauptverdächtige war.
So rätselhaft das Ganze schien, Marianne war fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, schon um ihrer Tante willen.
Die nächsten Tage vergingen sehr angenehm. Vormittags machte Marianne einen langen Spaziergang und erledigte anschließend kleinere Aufgaben, wie etwa Blumen zu schneiden und in den Vasen im Haus zu arrangieren. Da die Strauchfrüchte reif waren, pflückte sie im Küchengarten Johannisbeeren und Himbeeren. Nachmittags saß sie mit Lady Edgeworthy und Jane beisammen, und sie unterhielten sich bei einer Handarbeit oder spielten Karten; manchmal las Jane auch etwas vor.
Marianne beobachtete Jane unauffällig, konnte jedoch kein Anzeichen heimlichen Grolls gegenüber Lady Edgeworthy entdecken, sondern nur ehrliche Zuneigung und Respekt. Erst am dritten Tag, als Dr. Thompson zum Tee kam, fiel ihr am Benehmen der Gesellschafterin etwas auf.
Jane errötete, als sie ihm die Tasse reichte und den mit Gebäck beladenen Teller anbot, und wich seinem Blick aus. Als sie sich dann niederließ, wählte sie einen Platz neben ihrer Herrin und vermied es beflissen, den Besucher anzusehen.
„Sie hatten hoffentlich keine zu anstrengende Woche, Sir?“, erkundigte sich Lady Edgeworthy. „Während dieser Jahreszeit gibt es wohl nicht zu viele Erkältungskrankheiten, nicht wahr?“
„Nein, das nicht“, entgegnete der Arzt, „Doch vor einigen Tagen gab es ein Unglück in einem der Bergwerke, da rief man mich zu Hilfe. Fünf Männer wurden verletzt, zwei weitere starben sofort. Es war übrigens im ‚Wheal Mary‘-Schacht.“
„Wie schrecklich! Mir scheint jedoch, dass es in diesem Bergwerk besonders häufig zu Unfällen kommt.“
„Ja, tatsächlich. Ich sprach auch wegen der mangelnden Sicherheit schon mit Sir Henry Milford, aber er will einfach nichts davon wissen. Solange es keine gesetzlichen Vorschriften zum Schutz der Arbeiter gibt, wird sich da nichts ändern, fürchte ich.“
„Leider gibt es ja für die Männer hier kaum andere Arbeit; sie haben nur die Wahl zwischen Fischerei und Grubenarbeit“, klagte Lady Edgeworhty. „Beides ist nicht ungefährlich. Nur wenige haben das Glück, ein Handwerk lernen zu können.“
„Ja, weil dazu Geld erforderlich ist“, stimmte der Arzt zu. „In den meisten Familien wird jeder Penny für den Lebensunterhalt benötigt, da kann man nicht einmal für einen einzigen Sohn das Lehrgeld zahlen.“ An Marianne gewandt, fuhr er fort: „Sie werden die Lebensbedingungen hier an der Küste nicht kennen, Miss Horne. Das Land ist nicht so fruchtbar wie bei Ihnen in den östliche Grafschaften.“
„Dass das Leben hier so hart ist, war mir wirklich nicht klar.“ Marianne sah ihn interessiert an.“ Meine Mama hatte für jeden Bedürftigen, der zum Pfarrhaus kam, eine milde Gabe, doch die meisten Pfarrkinder waren Landarbeiter oder kleine Pächter, die zumindest ordentlich genährt und untergebracht waren.“
„Hier in meiner Praxis sehe ich jede Woche mehrere Patienten mit Gebrechen, die durch Unterernährung hervorgerufen werden. Natürlich versuche ich zu helfen, aber was die Leute eigentlich brauchten, wäre gesunde Nahrung und witterungsfeste Unterkünfte, die sie sich von den hiesigen Löhnen jedoch nicht leisten können.“
„Ist das nicht sehr niederdrückend für Sie?“, fragte Marianne.
„Ja, sicher“, entgegnete er, dann fügte er ablenkend hinzu: „Verzeihen Sie mir, das Thema taugt wohl nicht für den Salon.“
„Sie müssen sich nicht entschuldigen. Mich interessiert es. Meine Mama hat immer geholfen, wo sie nur konnte.“
„Sie sind heute so schweigsam, Jane“, warf Lady Edgeworthy unversehens ein. „Fühlen Sie sich nicht wohl? Dann muss Dr. Thompson Sie kurz untersuchen, ehe er uns verlässt. Sie wissen, der Kleine Salon stünde dafür zur Verfügung.“
Wenn Gäste kamen, wurde stets der Große Salon an der Frontseite des Hauses genutzt. Der Doktor war allerdings der erste Besuch, seit Marianne eingetroffen war. Ihm zu Ehren hatte sie das blaue Kleid angelegt, das sie gemeinsam mit ihren Schwestern genäht hatte. Es war modisch geschnitten und stand ihr ausgezeichnet.
Jane wirkte bedrückt, schüttelte aber den Kopf.
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