Stürmische Verlobung
umgehend Jagd auf einen anderen blaublütigen Junggesellen machen - und Sie können sich in aller Ruhe Ihre Braut aussuchen.«
Lord Somerton atmete tief durch, während er sich abermals im Ballsaal umschaute. Schließlich drehte er sich wieder zu ihr um.
»Ich bin sicher, dass ich es noch bereuen werde, Miss Merriweather, aber ich stimme Ihrem Arrangement zu.«
» Ausgezeichnet! «, entfuhr es Eliza ein wenig lauter als beabsichtigt.
»Ich werde für die Dauer der Ballsaison vorgeben, Ihr Verehrer zu sein, und Sie …«
Eliza, die es gar nicht abwarten konnte, mit der Scharade zu beginnen, schnitt ihm das Wort ab. »Und ich werde potenzielle Bräute für Sie auskundschaften und Sie porträtieren. Einverstanden?«
»Einverstanden«, stimmte er zu.
Eliza wippte begeistert auf ihren Zehen. Das Malen wie das Spionieren würden sie beschäftigen und vor Langeweile bewahren - bis diese elende Ballsaison zu Ende war.
Mit seiner Einwilligung in dieses Arrangement würde sie endlich wieder Herrin über ihre Zukunft und ihren Verstand sein.
Spät am nächsten Vormittag saß Eliza mit ihrer Tasse da und rührte den dampfenden Tee um, den Mrs. Penny ihr eingeschenkt hatte.
Sie warf einen Blick auf die Standuhr in der Ecke. Es war bereits elf Uhr. Eliza kuschelte sich bequemer in ihren Sessel. Sie waren erst vor fünf Stunden vom Ball der Greymonts heimgekehrt.
Sie würde diese Ballsaison nie überstehen.
Abgesehen von Mrs. Penny und dem Rest der kleinen
Dienstbotenschar der Feathertons, schien Eliza die Erste zu sein, die aufgestanden war. Das hatte sie hauptsächlich aus Gewohnheit getan, denn hätte sie tatsächlich darüber nachgedacht, wäre sie gewiss bis Mittag im Bett geblieben, um wie jede gute Debütantin ihren Schlaf nachzuholen.
Doch aller Müdigkeit zum Trotz ließ sich der Tag sehr vielversprechend an. Dank ihres »Arrangements« mit Lord Somerton war es der erste Tag dieser absurden Ballsaison, an dem sie sich keine Sorgen über die militärischen Listen ihrer Tanten zu machen brauchte.
Ja, nachdem sie gestern Abend einen ausgesprochen aufmerksamen Lord Somerton an ihrer Seite gesehen hatten, würden ihre Tanten überzeugt sein, dass alsbald ein Antrag des Earls folgen würde. Sie könnte sogar einige versteckte Anspielungen bezüglich ihres eigenen Interesses machen und die Hoffnungen ihrer Tanten noch bestärken.
Eliza räkelte sich grinsend in ihrem Sessel. Keine unerwünschten Verehrer. Keine Strategien aus dem abscheulichen Regelbuch. Ihre Erbschaft und die Schiffskarte nach Italien hatte sie praktisch schon in der Tasche.
Jetzt konnten sich ihre Tanten daranmachen, einen jungen Mann für ihre liebe Schwester Grace zu finden. Diese Aussicht erfüllte Eliza mit spitzbübischer Schadenfreude, und sie kicherte hämisch.
Mrs. Penny trat leise hinter Eliza und hielt auffordernd die Teekanne hoch. »Trinken Sie aus, damit ich Ihnen nachschenken kann. Ihre Tanten haben mir aufgetragen, Sie heute Morgen mit allen Mitteln wach zu bekommen.«
Eliza zog fragend ihre Augenbraue hoch. »Mich wach bekommen? Warum denn das? Der Rest des Hauses schläft ja noch.«
»Nicht die Ladys. Sie sind schon seit gut zwei Stunden auf«, erklärte Mrs. Penny. »Sie sind in der Bibliothek beschäftigt.«
»Ach wirklich?« Eliza hegte keinen Zweifel daran, womit sie »beschäftigt« waren. Sie war davon überzeugt, dass ein gewisses in rotes Leder gebundenes Buch studiert wurde, um ein weiteres listiges Manöver zu ersinnen.
Sie sollte dieses vermaledeite Buch vor ihren Tanten verstecken - und vor Grace. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Schwester von dem wahren Zweck des Regelbuchs erfuhr und ihre Tanten über ihren Irrtum aufklärte.
Nachdem sie ihr Frühstück aus kaltem Braten und Obst beendet hatte, begab Eliza sich in die Bibliothek, wo sie ihre Tanten Letitia und Viola fand. Wie erwartet, waren sie über Die Schule der erfolgreichen Eroberung gebeugt und studierten es durch ihre Lorgnetten.
»Guten Morgen«, grüßte sie lächelnd.
»Eliza! Wie schön, dass du endlich aufgestanden bist«, sagte Tante Viola und schaute von dem Buch auf. »Bitte setz
dich. Wir haben nicht viel Zeit.«
»Nicht viel Zeit?«, fragte Eliza und nahm zögernd in einem weich gepolsterten Sessel Platz.
»Um Regel vier zu besprechen, natürlich«, antwortete Tante Letitia.
Eliza ließ ihr Kinn auf ihre Brust sinken und schloss die Augen. »Regel vier?«, murmelte sie.
»Aber ja doch«, sagte Tante Letitia. »Stell dich nicht
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