Stürmische Verlobung
dumm, Lizzy. Wir wissen, dass du mit Regel vier bereits vertraut bist.«
»Bin ich das?« Eliza hatte nicht die blasseste Ahnung, wovon die beiden redeten.
»Du schlauer kleiner Fuchs«, schmunzelte Tante Letitia mit einem wissenden Grinsen. »Du musst heimlich einen Blick auf das nächste Kapitel geworfen haben.«
Eliza erhob sich aus dem Sessel. »Ich fürchte, ich weiß nicht …«
Tante Letitia hob ihre Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie hielt ihre Lorgnette vor ihre Augen und las laut die fette Überschrift vor. » Regel vier. Geschickte Ablenkungsmanöver können die gegnerischen Streitkräfte in Bezug auf das wahre Angriffsziel in die Irre führen. «
»A-ablenkungsmanöver?« Eliza sank wieder auf den Sessel zurück.
Tante Viola kam schlurfend herüber und legte ihre Hand auf Elizas Schulter. »Dein Angebot, Lord Somertons Porträt zu malen, war schlichtweg genial.«
»Was?« Eliza wollte aufspringen, doch die Hand ihrer Tante hielt sie nachdrücklich auf ihrem Platz. »Ihr wisst von meinem Angebot?«
Tante Letitia kicherte. »Du denkst doch wohl nicht, Lord Somerton würde dir seine Aufwartung machen, ohne uns um Erlaubnis zu bitten, oder?«
Eliza starrte Tante Letitia an. Er hatte bereits um Erlaubnis ersucht? Aber sie hatten doch erst gestern Abend ihren Handel abgeschlossen.
»Ich muss schon sagen, Eliza, es war wirklich absolut brillant, dir diesen Plan einfallen zu lassen«, lobte Tante Viola. In ihren Augen blitzte unverhohlene Freude.
»Plan?«, fragte Eliza. Er hatte ihnen doch sicher nichts von ihrem Arrangement erzählt.
»Nun, sein Porträt zu malen natürlich.« Tante Letitia nahm das Strategiebuch und drückte es an ihren üppigen Busen. »Du bist wirklich eine einfallsreiche junge Frau. Jetzt bleibt Lord Somerton gar nichts anderes übrig, als dir oft seine Aufwartung zu machen - um Modell zu sitzen.«
Tante Viola stupste bei jedem Wort mit ihrem knochigen Finger bekräftigend Elizas Arm. »Die beste Methode, um seine Lordschaft davon abzuhalten, anderen jungen Ladys seine Aufmerksamkeit zu schenken.«
Eliza rieb sich die schmerzende Stelle an ihrem Arm und starrte Tante Viola fassungslos an. Es war ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass ihr kleines Arrangement Lord Somerton zwingen würde, über die Festlichkeiten der Ballsaison hinaus einen Großteil seiner Zeit mit ihr zu verbringen; dass er ihr natürlich auch unabhängig von den Sitzungen für das Porträt seine Aufwartung machen musste. Ihr Herz schlug höher.
Nicht dass es gänzlich schlecht wäre. Seine ergebene Gesellschaft würde verhindern, dass sie wie eine Kohlenkarre von Familie zu Familie und von Haus zu Haus gezerrt wurde.
Wahrhaftig, je länger sie es sich überlegte, desto besser gefiel ihr der Gedanke, viel Zeit mit Lord Somerton zu verbringen. Er war geistreich und intelligent. Er forderte ihren Verstand heraus und brachte sie zum Lachen, was mehr war, als sie von den anderen langweiligen Junggesellen sagen konnte, die sie bisher in London kennengelernt hatte.
Und obgleich sie es niemals zugeben würde, wäre der markante, gut aussehende Earl wahrscheinlich genau die Art von Mann, den sie sich auserkoren hätte, wenn sie auf der Suche nach einem Ehemann wäre, was sie selbstverständlich nicht war.
Tante Letitia schaute auf die Uhr draußen im Flur. »Gütiger Himmel! Ich habe die Zeit ganz vergessen. Lord Somerton wird gleich hier sein.«
Elizas Nackenhaare richteten sich kribbelnd auf. »Lord Somerton kommt her? Heute ?«
»Ja, Liebes«, bestätigte Tante Viola.
Draußen auf der Straße ertönte Hufgeklapper, und ihre Tante warf einen Blick aus dem Fenster. Dann kam sie eilig zurück und zupfte ärgerlich an Elizas dicken, ungebändigten Locken. »Ich fürchte, es bleibt keine Zeit, dein Haar aufzustecken.«
Eliza stand auf und ging zur Tür. »Jenny kann mir helfen. Sie ist sehr geschickt mit ihren Händen.«
»Selbst sie wird kaum flink genug sein«, jammerte Tante Viola. »Lord Somerton ist soeben eingetroffen.«
Elizas Welt schien sich mit einem Mal langsamer zu drehen. Das wiederholte Aufschlagen des Türklopfers hallte wie Kanonenfeuer durch das riesige Vestibül.
»Was? Hier - jetzt?« Eliza lief aufgeregt hin und her und trommelte dabei gedankenverloren mit den Fingern auf ihren Lippen. »Bitte gebt Edgar Anweisung, dass ich Lord Somerton im Hof empfangen werde.«
Eliza strich mit den Handflächen eine Knitterfalte in ihrem Morgenkleid glatt und kämmte sich mit den
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