Stürmisches Feuer der Liebe
eine verdammte Närrin, Onkel John«, sagte sie.
Der Wind spielte in den Baumwipfeln.
»Ich habe kein Recht, in Indian Rock zu bleiben. Absolut nicht. Wenn ich vernünftig wäre, befände ich mich jetzt schon auf dem Weg nach Sacramento.«
Eine lose Haarsträhne kitzelte sie an der Wange, und sie strich sie rasch zurück. Und da schossen ihr plötzlich völlig ungebeten und unerwartet die Tränen in die Augen.
»Du hast Jeb McKettrick doch bestimmt gekannt.«
Die Vögel zwitscherten, als wollten sie ihr antworten.
»Er sieht gut aus«, fuhr Chloe fort. Auf der Straße fuhren Wagen vorbei, aber den Friedhof hatte sie ganz für sich allein, was gut war, da sie mit einem Grabstein und einem Hügel Erde plauderte. »Er macht mich manchmal so wütend, dass ich ihn anspucken könnte, und niemand hat mir je so wehgetan wie er. Aber er bringt mich auch immer wieder zum Lachen. Ich hätte ihn nie heiraten sollen - er hatte in seinem ganzen Leben bestimmt noch nie einen vernünftigen Gedanken.«
Sie zupfte einen Grashalm aus und zerriss ihn zwischen ihren Fingern. Sein süßer, frischer Duft stieg ihr beinahe tröstlich in die Nase. Ich verwelke und sterbe, schien dieser Duft zu sagen, und dann wachse ich nach und werde wieder grün.
»Ich dagegen«, fuhr Chloe entschieden fort, »habe jede Menge ernsthafter Gedanken. Einer von uns musste ja schließlich vernünftig sein.«
Eine Biene schwirrte verschlafen vorbei, die anscheinend noch nicht bemerkt hatte, dass sich der Sommer verabschiedet hatte und all die anderen Bienen längst verschwunden waren.
»Ich bin vernünftig, auch wenn ich manchmal etwas impulsiv sein kann. Wahrscheinlich erinnerst du dich daran noch ziemlich gut.« Chloe ließ die Schultern hängen, griff nach einem weiteren Grashalm und stieß einen tiefen, niedergeschlagenen Seufzer aus. »Außer, wenn es sich um Männer handelt. Ich habe wirklich geglaubt, Jack Barrett zu lieben. Er hatte mir gesagt, er sei Bankier, und ich habe es ihm geglaubt. Aber dann hat sich herausgestellte, dass er ein Revolverheld, ein Kopfgeldjäger war. Wie findest du das? Nun, ich weiß, dass du das natürlich gar nicht gut gefunden hättest, weil du ja geschworen hattest, das Gesetz aufrechtzuerhalten, und Jack nichts anderes tut, als das Gesetz zu brechen. Deshalb habe ich es dir damals nicht gesagt. Denn weißt du, ich konnte ja nicht ahnen, dass du es vielleicht ein kleines bisschen verstanden hättest, weil du mein Vater und selbst ja mal in Schwierigkeiten warst.« Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle, und sie schluckte. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du mein Vater warst?«
Ein Chor von Kinderstimmen wehte mit dem Wind in ihre Richtung.
»Na ja, ich denke, das macht jetzt auch nichts mehr«, sagte sie. »Aber ich hätte es trotzdem gern gewusst.«
Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr und sah dann Harry Sussex auf dem Friedhofszaun herumspazieren. Er hatte seine dünnen Arme ausgestreckt, um die Balance zu halten, und sein rotes Haar leuchtete in der Sonne.
»Komm da runter!«, rief ein anderes Kind ihm zu. Ein Mädchen, dachte Chloe. »Du brichst dir noch den Hals! Ich werde es Mama sagen, wenn du dir den Hals brichst!«
Chloe lächelte, und als hätte sie ihn berührt, bemerkte Harry sie in ebendiesem Augenblick, sprang anmutig vom Zaun und kam grinsend auf sie zugelaufen.
»Guten Tag, Miss Wakefield«, sagte er. »Der Doc sagt, Sie würden ganz bestimmt in der Schule unterrichten. Darüber bin ich wirklich froh.«
Chloe nickte und setzte eine tapfere Miene auf »Ich werde dich und all die anderen Kinder am Montagmorgen um acht Uhr in der Früh erwarten«, sagte sie.
Harrys Augen glänzten. »Wir werden da sein«, versprach er. Aber dann verdrängte ein Stirnrunzeln sein Lächeln. »Haben Sie Regeln über Schuhe und so weiter?«
Seine Frage versetzte Chloe einen Stich. »Nein«, sagte sie. »Aber ich denke mal, wenn der Winter kommt, dann werdet ihr wohl welche tragen wollen. «
Harry wirkte ungemein erleichtert. Wahrscheinlich besaß er gar keine Schuhe, und wenn ja, dann durfte er sie bestimmt nur zu besonderen Gelegenheiten tragen. »Meine Ma sagt, Sie würden alle Hände voll zu tun haben mit einem Rudel wilder Kojoten wie uns.«
Chloe stand auf, staubte ihre Röcke ab und verabschiedete sich im Stillen von John. Sie wusste weder, was die Zukunft bringen würde, noch war sie sich ihrer eigenen Vernunft geschweige denn der von ich McKettrick sicher, doch es gab eins, dessen sie sich
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