Stürmisches Herz
ihres Vaters zu beobachten hatte.
Irgendwann brachte sie den Mut auf, ihrem Vater mitzuteilen, daß sie nicht in sein Haus zurückkehren würde. Er war sichtlich enttäuscht und wies darauf hin, daß sie es nicht nötig hätte zu arbeiten. Er erinnerte sie daran, daß sie einander gerade erst wiedergefunden hatten. Doch sie erklärte ihm, daß sie einander sehen konnten, so oft sie wollten; von der Bar M in die Stadt waren es ja nur vier Meilen.
Doch diese Argumente hatte sie sich nur für ihren Vater zurechtgelegt. In Wirklichkeit wollte sie auf der Ranch leben und sich an Fletcher Stratons Zuversicht klammern, daß Chandos zurückkommen würde. Sie brauchte diese Hoffnung wie die Luft zum Atmen.
Am ersten Abend auf der Ranch genoß sie die gemeinsame Mahlzeit mit Fletcher, weil er alles tat, damit sie sich bei ihm zu Hause fühlte. Maggie und Sägezahn aßen mit ihnen, und jedem fiel etwas anderes ein, was Courtney auf der Ranch tun könnte. Die Vorschläge reichten von einer Katalogisierung von Fletchers Bibliothek über eine neue Innenausstattung für das große Haus bis zur Namensgebung für die neugeborenen Kälber. Sägezahn erstickte beinahe vor Lachen, als er hörte, daß Fletcher persönlich jedem neugeborenen Kalb einen Namen gab.
Nach dem Abendessen saßen sie noch eine Weile beisammen und tauschten Erinnerungen aus. Maggie erzählte, wie Fletcher sie in Galvestone gefunden hatte. Er befand sich seit langem auf der Suche nach einer Haushälterin und erkannte auf den ersten Blick, daß sie die Richtige war. Doch sie war nach New Hampshire zu ihrer Schwester unterwegs und hatte nicht die Absicht, in Texas zu bleiben.
Fletcher versprach ihr, daß er sie in seinem Haus nach Gutdünken schalten und walten lassen würde; und weil Maggie wußte, daß ihre Schwester die Zügel ihres Haushaltes nicht aus der Hand geben würde, nahm sie Fletchers Angebot an. Allerdings hatte sie erst ja gesagt – das behauptete jedenfalls Fletcher –, als er ihr ein eigenes kleines Haus zusicherte, das genauso aussehen würde wie ihr Häuschen in England. Er hielt Wort; sie bekam das Häuschen, das sie zurückgelassen hatte, denn Fletcher ließ es mit dem gesamten Mobiliar und Zubehör per Schiff nach Amerika befördern.
Dann erzählte Sägezahn, wie Fletcher und er einander kennengelernt hatten. Es war in einer mondlosen Nacht in der Prärie gewesen, und jeder von ihnen hatte ein Geräusch gehört. Keiner wußte, ob es sich um ein Tier oder einen Indianer handelte, und beide waren deshalb die ganze Nacht wachgeblieben. Im Morgengrauen stellten sie fest, daß ganze zehn Meter sie voneinander trennten, und schlossen lachend Freundschaft.
Als Courtney sich schlafen legte, war ihr so leicht ums Herz wie schon lange nicht. Es tat gut, mit Menschen zusammen zu sein, die Chandos nahestanden und ihn mochten. Und niemand hier würde jemals behaupten, daß Chandos nicht der Richtige für sie war – was ihr Vater ganz bestimmt tun würde, wenn er erfuhr, daß sie einen Revolvermann liebte.
Eine sanfte Brise bewegte die Vorhänge am offenen Fenster. Courtney drehte sich auf die andere Seite, dehnte und streckte sich schlaftrunken, als sich plötzlich eine Hand auf ihren Mund preßte. Sie schnappte nach Luft. Ein Körper legte sich auf den ihren, lastete schwer auf ihr und hinderte sie daran, sich zu bewegen. Diesmal hatte sie keinen Revolver unter dem Kissen, denn auf der Bar M hatte sie sich bisher sicher gefühlt.
»Was zum Teufel suchst du hier?«
Seine Stimme klang rauh und zornig, für Courtney war sie jedoch das Lieblichste, das sie je gehört hatte. Sie versuchte zu sprechen, aber er nahm die Hand nicht weg.
»Ich habe auf dem Weg hierher beinahe mein Pferd zuschanden geritten, und dann finde ich dich ausgerechnet dort, wo du auf keinen Fall zu sein hast. Noch dazu habe ich vor ein paar Minuten die alte Frau zu Tode erschreckt, weil ich geglaubt habe, daß du bei ihr Unterschlupf gefunden hast. Aber nein, du mußt in dem verdammten Haupthaus schlafen, und ich habe geschworen, daß ich es nie wieder betreten werde. Ich muß den Verstand verloren haben. Was zum Teufel suchst du hier?«
Courtney schüttelte den Kopf und versuchte, seine Hand abzuschütteln. Warum gab er ihren Mund nicht frei? Er wußte doch, daß sie überglücklich war und ganz bestimmt nicht schreien würde. Nein, das konnte er ja nicht wissen. Sie hatte ihn auf dem Hügel stehengelassen und war davongelaufen. Er hatte versucht, sie gegen ihn
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