Stürmisches Herz
Wenn sie jetzt schon so verzweifelt darüber war, daß er sie nur für vier Tage verließ, wie würde ihr dann erst zumute sein, wenn er sich in Waco für immer von ihr verabschiedete?
32. KAPITEL
Zwei Tage lang saß Courtney nur am Fenster ihres Zimmers über dem Restaurant und blickte auf die Straße hinunter. Wenn Mama Alvarez mit ihr schimpfte, weil sie eigentlich im Bett liegen sollte, lächelte Courtney nur und widersprach nicht. Mama meinte es gut. Courtney wußte, daß es dumm von ihr war, am Fenster Ausschau zu halten, da Chandos wahrscheinlich noch nicht einmal in Paris angelangt war. Aber sie rührte sich nicht vom Fleck.
Sie hatte den Fuß auf einen gepolsterten Schemel gelegt und beobachtete das Leben und Treiben in der kleinen Stadt, die nur etwas größer war als Rockley. Sie dachte sehr viel nach, während sie in diesem Zimmer saß, und obwohl sie sich Vernunft predigte, konnte sie eine Tatsache nicht leugnen: Sie liebte Chandos. Sie liebte ihn mehr, als sie es je für möglich gehalten hatte.
Es ging nicht nur darum, daß sie sich bei ihm sicher fühlte. Das war wichtig, aber sie begehrte ihn auch. Und wie sehr sie ihn begehrte! Dazu kam, daß er zärtlich war, wenn sie Zärtlichkeit brauchte, und liebevoll, wenn sie Liebe brauchte. Und selbst seine einsame Unabhängigkeit berührte sie. Wie auch seine abwehrende Haltung, mit der er niemanden an sich heranließ. Dadurch wirkte er so unendlich verwundbar.
Doch trotz all dieser Tatsachen machte sich Courtney nichts vor. Sie wußte, daß sie Chandos nicht haben konnte, auch wenn sie sich noch so sehr nach ihm sehnte. Er hatte ihr klar zu verstehen gegeben, daß eine Beziehung auf Dauer für ihn nicht in Frage kam. Sie mußte realistisch denken. Sie würde Chandos nie heiraten können.
Immer schon hatte sie daran gezweifelt, daß sie die wahre Liebe erleben und daß der Partner ihre Gefühle erwidern würde. Aber es war kein Trost, daß sie damit rechtbehalten hatte.
Am zweiten Tag ihres Aufenthaltes bei Mama lernte Courtney Mamas Tochter kennen. Das Mädchen stürzte ohne anzuklopfen in Courtneys Zimmer und stellte sich vor. Es war auf beiden Seiten Haß auf den ersten Blick, denn Courtney kannte den Namen des Mädchens aus Chandos' Fieberträumen, und Calida Alvarez wußte, daß Chandos Courtney hierhergebracht hatte.
Calida war schön, lebhaft, hatte glänzend schwarze Haare und boshaft funkelnde, braune Augen. Sie war nur vier Jahre älter als Courtney, aber diese vier Jahre machten sehr viel aus. Das von Natur aus leidenschaftliche Mädchen verfügte über die Selbstsicherheit, die Courtney immer gefehlt hatte.
So sah Courtney Calida. Calida hingegen sah in Courtney ihre erste ernsthafte Rivalin: eine junge Dame, die kühl und höflich, ruhig und beherrscht war, und deren leicht sonnengebräuntes Gesicht überwältigend schön war. Goldene Haut, braunes, golden glänzendes Haar, schräge Katzenaugen, die wie alter Whisky schimmerten. Courtneys gesamte Erscheinung war goldbraun, und Calida hätte ihr am liebsten die Augen ausgekratzt. Statt dessen griff sie mit Worten an.
»Ich hoffe, daß Sie einen guten Grund dafür haben, mit meinem Chandos zu reisen.«
»Mit Ihrem Chandos?«
»Sí, meinem.«
»Er lebt also hier?«
Die Ältere war nicht auf einen Gegenangriff gefaßt und stammelte etwas, riß sich aber wieder zusammen.
»Er hält sich hier mehr auf als an jedem anderen Ort.«
»Dadurch wird er kaum zu Ihrem Chandos. Wenn Sie allerdings gesagt hätten, daß er Ihr Mann ist …« Sie lächelte freundlich und ließ die Andeutung in der Luft hängen.
»Ich bin diejenige, die sich geweigert hat, ihn zu heiraten. Wenn ich ihn heiraten will, muß ich nur mit den Fingern schnippen.« Sie tat es.
Courtney spürte, wie Zorn in ihr aufstieg. Wußte Chandos, wie sicher Calida Alvarez seiner war? War sie mit gutem Grund ihrer Sache so sicher?
»Das ist alles schön und gut, Miß Alvarez, aber solange Sie keinen Ring am Finger tragen, geht es Sie nichts an, warum ich mit Chandos reise.«
»Und ob es mich etwas angeht!« schrie Calida so laut, daß man es auf der Straße hören konnte.
Jetzt reichte es Courtney endgültig. »Da irren Sie sich«, antwortete sie langsam, mit wütendem Unterton. »Falls Sie noch Fragen haben, würde ich vorschlagen, daß Sie sie für Chandos aufheben. Und jetzt verschwinden Sie.«
»Puta!« fauchte Calida. »Ich werde mit Chandos sprechen, darauf können Sie sich verlassen. Ich werde dafür sorgen, daß er
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