Stürmisches Herz
gegenüberstehen.
Chandos schlich vorsichtig zur Tür und drehte behutsam am Knauf. Die Tür war nicht versperrt. Er drückte das Ohr an das Holz und horchte. Außer dem Blut, das in seinen Schläfen hämmerte, vernahm er kein Geräusch.
Ganz langsam drehte er den Türknauf ein zweites Mal und stieß dann die Tür mit einem Fußtritt auf. Die gesamte Vorderfront des Hauses erzitterte. Auf einem Regal kamen Teller ins Rutschen, und eine Tasse rollte über den Lehmboden. Im Bett wandte sich ein blonder Kopf Chandos zu und blickte in die Mündung seines Revolvers.
Die Brüste, die sich unter dem dünnen Laken abzeichneten, waren winzig und kaum entwickelt. Das Mädchen konnte höchstens dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein. Befand er sich im falschen Haus?
»Loretta?«
»Ja.«
Das Mädchen duckte sich.
Chandos stieß langsam die Luft aus. Es war das richtige Haus. Er hätte daran denken müssen, daß Smith junge Mädchen bevorzugte.
Sie war brutal verprügelt worden. Eine Gesichtshälfte war blau und geschwollen. Das Auge in der anderen Hälfte war ebenfalls blau geschlagen. Ein häßlicher, dunkler Bluterguß reichte vom Schlüsselbein bis zur linken Schulter, und auch die Oberarme waren mit blauen Flecken bedeckt, als hätte man sie grob festgehalten. Chandos wollte nicht daran denken, wie ihr Körper unter dem Laken aussah.
»Wo ist er?«
»Wer?«
Sie klang rührend jung und sehr verängstigt, und ihm wurde bewußt, wie er aussah. Seit seiner Trennung von Courtney hatte er sich nicht mehr rasiert, und sein Revolver war immer noch auf das Mädchen gerichtet. Er steckte ihn ein.
»Ich will dir nichts tun. Ich suche Smith.«
Sie erstarrte. Die Angst in ihrem Gesicht schwand, und ihr gesundes Auge blitzte zornig auf.
»Sie kommen zu spät, Mister. Ich habe das Schwein angezeigt. Als er mich das letzte Mal zusammengeschlagen hat, war es das allerletzte Mal.«
»Er sitzt im Gefängnis?«
»Darauf können Sie Gift nehmen! Ich habe gewußt, daß ein Ranger in der Stadt ist, sonst hätte ich es nicht getan. Ich hatte Angst, daß unser Gefängnis nicht sicher genug ist, deshalb habe ich meinen Freund Pepper gebeten, den Ranger zu mir zu schicken, und dem habe ich verraten, wer Wade wirklich ist. Wade hat mir nämlich von dem Mädchen erzählt, das er in San Antonio umgebracht hat. Dann hat er mir einmal damit gedroht, daß er mich genauso kalt machen würde, und das habe ich ihm geglaubt.«
»Hat der Ranger ihn mitgenommen?« Chandos versuchte, seine Ungeduld im Zaum zu halten.
»Ja. Der Ranger ist später mit dem Marshai wiedergekommen und hat Wade erwischt, als er mit mir im Bett lag. Ich habe dem Schwein am besten gefallen, wenn ich so aussah wie jetzt.«
»Wann war das?«
»Vor drei Tagen.«
Chandos stöhnte. Drei gottverdammte Tage. Wenn der Schlangenbiß und Courtneys Entführung nicht dazwischengekommen wären, hätte er Smith noch angetroffen.
»Wenn Sie mit ihm sprechen wollen, Mister«, fuhr Loretta fort, »müssen Sie sich beeilen. Der Ranger hat über Wade Bescheid gewußt. Er hat gesagt, daß sie in San Antonio genügend Beweismaterial gegen ihn besitzen, um ihn nach einer kurzen Verhandlung rasch zu hängen.«
Das glaubte ihr Chandos aufs Wort. Er war kurz nach der Ermordung des Mädchens nach San Antonio gekommen und hatte dort alle grausigen Einzelheiten erfahren, und dort hatte er auch Smiths Spur verloren.
»Danke, Kind«, nickte Chandos.
»Ich bin kein Kind. Ich sehe jedenfalls nicht wie eins aus, wenn ich mich schminke. Ich arbeite seit einem Jahr in der Tanzhalle.«
»Das sollte gesetzlich verboten werden.«
»Was Sie nicht sagen. Ein Revolvermann, der Predigten hält, ist etwas ganz Neues.« Als er nicht reagierte, sondern sich nur zum Gehen wandte, rief sie: »He, Mister, Sie haben mir nicht erzählt, warum Sie Wade suchen.«
Chandos drehte sich um. Das Mädchen hatte keine Ahnung, was für ein Glück es gehabt hatte, denn sie hätte ohne weiteres Smiths nächstes Opfer sein können.
»Ich habe ihn wegen Mordes gesucht. Das Mädchen in San Antonio war nicht die einzige, die er getötet hat.«
Sie bekam eine Gänsehaut.
»Sie glauben doch nicht, daß er dem Ranger entkommen wird?«
»Nein.«
»Vielleicht werde ich in eine andere Stadt übersiedeln, sobald meine Rippen geheilt sind.« Sie sprach mehr zu sich selbst als zu ihm.
Chandos schloß die Tür hinter sich, blieb dann stehen und dachte darüber nach, wie er den Ranger einholen konnte. Wahrscheinlich würde er es
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