Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stützpunkt Roter Stern

Stützpunkt Roter Stern

Titel: Stützpunkt Roter Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
Verlorenen Stämmen genutzt werden, die dort zu überleben versuchten. Darunter verstand man Stämme, die ihr Territorium an den Kanälen und Seen verloren hatten, aber weder fähig gewesen waren, sich ihr Gebiet zurückzuerobern, noch willens, sich den Siegern zu ergeben, wonach diese ihnen dem Alten Gesetz der Macht hinter der Welt nach Schutz, Nahrung und Aufnahme in ihren eigenen Stamm hätten gewähren müssen.
    Füttere deine Feinde von gestern, auf dass es dir morgen gut ergehe , so lautete der Satz, der auf den heiligen Gesetzesdecken hunderter Stämme am gesamten Nieder- und Oberkanal bis hinauf zum Großsee stand. Wobei man im Allgemeinen sagte, dass die Stämme am Großsee die Einhaltung dieser Regel nicht mehr so genau nahmen, wie es die Tradition eigentlich erforderte. Die Überbevölkerung an verschiedenen Uferabschnitten des Großsees sowie des langen Kleinsees war dafür wohl verantwortlich. Der Kampf um die besten Plätze, an denen man überleben konnte, wurde härter.
    Der feine Sand am Ufer ordnete sich auf eine ganz charakteristische Weise zu Mustern. Einflüsse der Geisterwelt waren das. Kein Außenweltler konnte das erkennen, aber für Tryskwyn war es schwer, diese Eindrücke auszublenden, um nicht fortwährend von ihnen abgelenkt zu werden. So stark konturiert waren die Muster schon seit vielen Jahren nicht mehr , dachte er. Als er noch klein gewesen war, hatte er so deutliche Muster zuletzt gesehen. Damals, als er noch ein kleines Glücksbringerkalb gewesen war – von den erwachsenen Bullen und Kühen verehrt und verhätschelt, von den Gleichaltrigen aber eher mit Neid und Missgunst bedacht.
    Er erinnerte sich an die Worte seines Großvaters, der ihm zu erklären versucht hatte, weshalb sich der Sand zu Mustern ordnete. Die Welt des Stofflichen und die Welt der Geister seien nicht immer gleichweit von einander entfernt. Wenn sie sich besonders nahe seien, dann könne man diese Muster auch mit besonderer Deutlichkeit erkennen.
    »Und was bedeutet es, wenn sich die Welt des Stofflichen und die Welt der Geister besonders nahe sind?«, hatte Tryskwyn daraufhin gefragt.
    »Das bedeutet nichts«, war die Antwort gewesen. »Es hat keinerlei Folgen für uns. Nur die Schamanen fangen dann an, Gebete an die Macht hinter der Welt zu sprechen, damit sich der Abstand beider Welten wieder vergrößert und verhindert wird, dass sie eins werden.«
    »Waren sie das denn schon einmal?«
    »Was?«
    »Eins.«
    »Es soll vor langer Zeit einmal Übergänge zwischen ihnen gegeben haben. Aber das ist nur eine Geschichte.«
    »Erzähl sie mir trotzdem!«
    »Wenn du willst …«
    Und dann hatte Tryskwyns Großvater damit angefangen, all die schrecklichen Geschichten zu erzählen, die von Geistern handelten, die in die Welt des Stofflichen eindrangen und dort allerlei Unheil anrichteten.
    »Man sollte diese Geschichten nach ihrer literarischen Qualität beurteilen«, fand sein Großvater. »Sie sind allemal spannender, als wenn unser Stammesältester am Lagerfeuer mit seinen Großtaten prahlt, bei denen genauso zweifelhaft ist, ob sie jemals stattgefunden haben!«
     
     
    Vibrationen im Boden ließen Tryskwyn aufmerken. Sie standen in der Regelmäßigkeit ihres Auftretens in einer komplizierten mathematischen Beziehung zu den Mustern im Sand. Das sah Tryskwyn sofort. Er starrte auf den Boden und anstatt dass er diese Vibrationen ausblendete, um weiterhin ungestört seinen düsteren, von Depression und Wut gezeichneten Gedanken nachzuhängen, ging er der akustisch-haptischen Spur geistig nach, die durch die Vibrationen gelegt wurde.
    Er wandte den Kopf in Richtung der fernen Berge im Süden, die tief in der lebensfeindlichen Wüste lagen.
    In einem Bereich, den Angehörige der Niederkanalstämme zuletzt vor zwanzig oder dreißig Generationen betreten hatten, als der Niederkanal nicht irgendwo in der Wüste ein jämmerliches Ende fand, sondern sich noch ein ganzes Stück weiter Richtung Süden hingezogen hatte und dort in einen See mündete, der inzwischen ausgetrocknet war.
    Eine weitere Beute der wachsenden Sonne und ihrer tödlichen Kraft.
    Jetzt sahen die meisten Embaan der Niederkanalstämme die Strecke bis zu den Bergen als zu weit und daher als zu gefährlich an. Außerdem gab es dort kein lohnenswertes Ziel.
    Von irgendwo dort kommen die Vibrationen! , erkannte Tryskwyn. Und es sind Vibrationen dabei, die völlig untypisch für Embaan sind! Vibrationen, wie sie von technischen Geräten der Außenweltler

Weitere Kostenlose Bücher