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Stumme Angst (German Edition)

Stumme Angst (German Edition)

Titel: Stumme Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Stein
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die zwei wirklich zu ihm nach Hause gekommen sind. Warum sie ihn in der Redaktion angerufen und auf ein Treffen am Nachmittag bestanden haben.
    Erst dachte er: Die wollen dir die neusten Infos geben, die geben sich Mühe. Was für ein Schwachsinn! Was die beiden wollen, ist, sich ein Bild von ihm machen. Sich seine Wohnung anschauen. Ob vielleicht doch etwas hier geschehen sein könnte. Ob er was mit Annas Verschwinden zu tun haben könnte. Eigentlich sollte er gleich fragen: Wollt ihr den Keller sehen?
    »Erst hab ich gewartet«, beginnt er. »Dann bin ich raus mit dem Hund, hab ein Bier am Fluss getrunken. Später bin ich zu ihrer Wohnung, wollte schauen, ob da Licht ist oder so.«
    »Geklingelt haben Sie nicht?«, fragt der junge Kommissar ungläubig.
    »Nein.«
    Sein Gegenüber hebt die Augenbrauen, Liam erkennt die Spuren eines Piercings. Wahrscheinlich hat er es erst vor Kurzem ausgezogen, weil er im Dienst kein Blech im Gesicht tragen darf.
    »Wieso haben Sie nicht geklingelt? Wenn meine Freundin mich versetzen würde, würd ich Sturm klingeln.«
    Liam glaubt ihm aufs Wort.
    »Dann nehm ich an, dass Sie anders miteinander umgehen«, entgegnet er trocken.
    »Frau von Willenberg hat gestern ein paar Andeutungen gemacht. Dass es in Ihrer Beziehung in letzter Zeit doch nicht ganz rundlief. Stimmt das?«
    Was sollte das sein? Verhörtechnik für Anfän-ger? Irgendwelche Behauptungen in den Raum stellen und darauf hoffen, dass das Gegenüber einknickt?
    Am liebsten würde er sagen: Das funktioniert nicht bei jedem, Alter. Vielleicht solltest du besser den Hauptkommissar die entscheidenden Fragen stellen lassen.
    »Ich glaube nicht, dass Marie Andeutungen gemacht hat. Sie hat mir das Gespräch mit Ihnen nacherzählt. Ich glaube eher, dass Sie gekommen sind, um zu schauen, was für ein Mensch ich bin. Wie ich lebe. Ob es nicht doch was zu holen gibt. Eine Geschichte, die ich Ihnen vorenthalte. Bitte …«, sagt er und macht eine ausholende Geste in den Raum hinein. »Schauen Sie sich ruhig um. Wühlen Sie wegen mir in jeder Schublade. Gehen Sie runter in den Keller. Ist mir egal. Das Einzige, was mich interessiert: Finden Sie Anna.«
    Der Hauptkommissar schaut ihn ruhig an.
    »Dann haben Sie sicher auch nichts dagegen, wenn wir einen Hundeführer hier durch schicken? Mit ihm haben wir bereits die Gegend um Frau Hansens Wohnung abgesucht. Sie könnten gleich hier sein.«
    »Bitte«, sagt Liam, mit einem Mal müde geworden. Er fingert nach einer Zigarette.
    »Was haben Sie denn rausgefunden? Mit dem Spürhund?«
    Dass sie nicht gleich davon berichteten, ärgert ihn.
    »Die Hunde sind so trainiert, dass sie die frischeste Fährte lesen«, klärt ihn der junge Kommissar auf. »Und die führte von Frau Hansens Wohnung quer über die Straße auf den gegenüberliegenden Schotterparkplatz.«
    Die beiden Kommissare studieren sein Gesicht. Schotterparkplatz, was wollte sie da?
    »Sind Sie sicher?«, will er wissen. »Anna hat kein Auto. Vielleicht führt die Spur noch weiter, zur Bushaltestelle vielleicht? Ich meine, was wollte sie auf dem Parkplatz?«
    Der Junge trommelt mit den Fingern auf den Tisch, während der Hauptkommissar leise mit dem Hundeführer telefoniert.
    »Dass die Spur dort endet, ist relativ eindeutig. Die Wettervoraussetzungen waren nicht schlecht in den letzten paar Tagen, Hunde sind in so was wahre Meister. Wäre Ihre Freundin mit dem Fahrrad irgendwo hingefahren, hätte der Hund selbst diese Spur verfolgen können. Will heißen: Als Ihre Anna das letzte Mal die Wohnung verlassen hat, hat sie die Straße überquert und ist in ein Auto auf dem Parkplatz gestiegen. Hier verliert sich ihre Spur.«
    »Haben Sie ein Auto?«, schaltet sich der Hauptkommissar ein, der inzwischen das Gespräch über das Handy beendet hat.
    Liam hört die Wassertropfen in der Spüle lauter klacken. Der Schwamm wird sich vollgesogen haben, kann die herunterfallenden Tropfen nicht mehr so gut dämmen.
    Er spürt sich müde nicken. Die Nacht hat er kaum geschlafen. Das Nikotin gibt ihm den Rest, doch er versucht, die Übelkeit herunterzuschlucken.
    Ja, er hat ein Auto. So wie hunderttausend andere Leute auch.
    »Können wir es sehen?«
    »Sicher.«
    Er steht auf und drückt die Zigarette aus, geht hinüber in den Flur und greift nach dem Schlüssel.
    »Der blaue Peugeot unten in der Straße. Freiburger Nummernschild.«
    »Freiburger Nummernschild?«
    Er nickt. »Meine Eltern leben dort. Der Wagen ist auf meine Mutter

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