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Stumme Angst (German Edition)

Stumme Angst (German Edition)

Titel: Stumme Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Stein
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nach dem anderen hinwerfen. Natans Nachnamen zum Beispiel könnte sie ihm später sagen. Vielleicht. Nur was, wenn die Polizei Anna daraufhin sogar findet? Dann wäre das alles umsonst, nicht wahr?
    Umsonst, Marie. Die Nägel, die Quiche, die glatt rasierten Beine, die verlorenen Kilos. Umsonst. Und Anna. Die würde doch wissen wollen, warum sie der Polizei nicht gleich von Natan erzählt hat.
    »Wieso hast du nichts gesagt?«, würde sie ihr vorwerfen. Vom gemeinsamen Autounfall ihrer und seiner Eltern, von seinem seltsamen Verhalten.
    Sie sieht Anna schon vor sich, wie sie dasitzen würde – »Davon hab ich dir doch erzählt!«, würde sie ausrufen.
    Und dann? Was sollte sie sagen?
    Liam wechselt das Thema.
    »Dieser Andreas. Der hat sie auch nicht mehr alle, oder?«
    »Wieso?«
    »Ich hab ihm geschrieben. Einfach nur ’ne Mail, dass Anna vermisst wird und dass ich ihn gerne sprechen würde. Daraufhin schreibt er zurück, es wäre ihm egal, was Anna so triebe. Und mit wem. Dass ich ihn nicht weiter belästigen sollte. Total krank, dieser Arsch.«
    »Das hat er geschrieben? Obwohl – wirklich wundern tut es mich nicht. Der war immer versnobt.«
    »So was in der Art hat Rebecca auch gesagt.«
    Rebecca? Diese doofe Kuh muss ihr auch noch in die Quere kommen.
    »Ich schau ihn mir trotzdem an. Andreas, mein ich. Will wissen, wo er wohnt, wie er aussieht.«
    »Das bringt doch nichts, Liam.«
    Er zuckt mit den Schultern, schaut sie wieder direkt an.
    »Warum war Anna überhaupt mit ihm zusammen? Wenn ihn alle für einen Snob halten?«
    Sie hält inne. Am liebsten würde sie ihm sagen: Weil Anna gerne was ausprobiert. Stattdessen meint sie: »Er sieht gut aus, hat Charme, ist halbwegs gebildet.«
    »Gab’s eigentlich irgendeinen, mit dem Anna nicht Schluss gemacht hat? Der hinterher nicht verletzt war oder enttäuscht oder total überrumpelt?«
    »So erklärst du dir seine Reaktion?«
    »Wie sonst?«
    »Ja, wahrscheinlich hast du recht … Er war ziemlich … verknallt in Anna. Aber ich glaub, nur wegen Äußerlichkeiten. Weil sie hübsch ist. Das hat zu seinem Lebensbild gepasst. Andere Dinge hat er nicht verstanden. Zum Beispiel ihre Malerei. Er hat sich ein Bild von ihr angeschaut und nichts darin gesehen. Deshalb hat Anna auch Schluss gemacht.«
    Er nickt, trommelt mit den Fingern auf seine Hosenbeine.
    Natürlich spürt sie, dass er gehen will. Dass er nur gekommen ist, um höflich zu sein.
    »Komm«, sagt sie deswegen. »Lass uns Natan googeln. Vielleicht finden wir ihn. Vielleicht springt mir was ins Auge.«
    Überrascht springt Liam auf und folgt ihr ins Wohnzimmer.
    »Du kannst hier ruhig rauchen«, sagt sie, während sie einen zweiten Stuhl vor den Schreibtisch stellt. »Wenn du willst, schauen wir uns auch Bilder an. Vielleicht hab ich irgendwo sogar eins von Andreas. Dann brauchst du nicht hinzufahren und ihm aufzulauern …«
    Sie kichert, doch sein Gesicht bleibt starr. Konzentriert schaut er auf den Bildschirm.
    Sie gibt erste Begriffe in die Suchmaschine ein. Und sie klicken sich durch die ersten acht Seiten, finden nichts. Marie ergänzt die Suche um die Wörter »Malerei«, »Bilder« und wieder gehen sie Anzeige für Anzeige durch.
    Seine nackten Unterarme liegen dicht neben ihren.
    Nach einer halben Stunde beginnen sie auf der Website der Kunsthochschule nach dem Vornamen Natan zu suchen, nach einer Stunde sehen Liams Augen noch röter aus als ohnehin schon. Auch das Wippen seiner Knie wird energischer, beinahe schon neurotisch, am liebsten würde sie ihn tadeln, wie man es mit einem kleinen Kind tut.
    Dass er gehen will, wird zur Gewissheit.
    »Ich glaube, der hatte so einen Allerweltsnamen«, gesteht sie. Das Wippen hält inne.
    »Du meinst so was wie Schmidt?«
    »Ja … Nur dass es nicht Schmidt war. Irgendwas mit M…«
    »Müller?«
    Sie tippt Natan Müller in die Suchmaschine ein, außerdem den Begriff Fotografie. Keine Ergebnisse, das Wippen setzt wieder ein und Liam fingert nach einer Zigarette.
    »Hab Geduld«, sagt sie. »Ich komm schon noch drauf. Was gibt’s denn sonst noch so mit M…?«
    »… Maier.«
    Sie probieren den Namen in verschiedenen Varianten. Maier mit i, Meyer mit e, Mayer mit y.
    Sie erschrickt, als seine Domain erscheint. Gleich dort, an vierter Stelle: www.natan-mayer-fotografie.de.
    Auf seiner Homepage hat er drei Schwarz-Weiß-Fotografien großformatig platziert: das Porträt eines alten, zahnlos lachenden Mannes, eines Hochzeitspaares sowie eines Mannes mit

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