Stunde der Klesh
gar nicht gewußt, daß die Spsomi jagten – eigentlich gab es überhaupt sehr wenig, was er von ihnen oder über sie wußte.
Flerdistar und Clellendol kehrten zum Karren zurück. Sie wurden von einem der Jäger und von zwei Fremden begleitet. Der eine von ihnen war untersetzt und hatte ein rosiges Gesicht, der andere war dünn und ernst, sein Kopf war von einem dichten Büschel unordentlichen eisgrauen Haares bedeckt. Beide waren in reichlich abgetragene Gewänder gehüllt, die an schlichte Bademäntel erinnerten: Vorn wurden die Wickelmäntel von einer Schärpe gehalten, deren Enden bis zu den Knien fielen. Sie trugen beide derbe Strümpfe und Sandalen. Anders als bei den Jägern, verbreitete ihr Anblick keine Furcht, Haltung und Gesten der Jäger und der Ler ließen jedoch darauf schließen, daß die beiden Fremden respektiert wurden und – zumindest innerhalb örtlicher Grenzen – einigen Einfluß hatten.
Flerdistar verabschiedete sich von der Gruppe und ging zu denen am Wagen. Sie bemerkte, daß alle nervös waren, darum sagte sie sofort: „Falls von Ihnen jemand zu dunklen Befürchtungen neigt, kann ich Ihnen mitteilen, daß Sie sich zunächst etwas entspannen können. Von den Jägern droht uns im Moment keine unmittelbare Gefahr, zumindest so lange nicht, wie keiner von uns etwas Unbedachtes tut, zum Beispiel einen Fluchtversuch unternimmt. Es sind Nomaden, sie nennen sich selbst Haydars. Ich kann über sie zunächst nur sagen, daß sie einer der ursprünglichen Klesh-Stämme sind und daß sie sehr umfassende und komplizierte Sitten und Gebräuche haben. Sie haben ihre ursprüngliche Lebensart bewahrt; seit ihren Anfängen hier hat es kaum eine Veränderung bei ihnen gegeben. Für mich würde es sich lohnen, den Rest meines Lebens bei ihnen zu verbringen. Sie sind uns nicht feindlich gesinnt, aber als Nomaden können sie uns nicht bei sich behalten – nur die Spsomi wären in der Lage, sie auf der Jagd zu begleiten –, darum werden wir … nicht hierbleiben.“
Audiart fragte: „Wo sind wir?“
„Auf Monsalvat, auf dem Kontinent Kepture, wie wir vermuteten. Wir befinden uns im südwestlichen Teil von Kepture, der Ombur genannt wird. Im Nordosten liegt ein anderes Land, es heißt Incana. Ich denke, dorthin werden wir uns wenden. Die Namen beziehen sich nicht auf Staaten oder Regierungsbezirke oder etwas ähnliches. Die Zeit vergeht hier sehr langsam, und die jeweiligen Grenzen haben auf die Ländernamen keinen Einfluß. Wir warten noch darauf, daß das Mädchen von der Jagd zurückkehrt. Es ist so etwas wie ein Schamane dieser Stammesgruppe. Es kennt alle Haydar-Epen und deutet auch das Omen. Der Anführer möchte, daß wir uns aus dieser Gegend entfernen, aber er muß erst abwarten, bis das Omen gedeutet worden ist – danach wird er seine Entscheidung fällen.“
Flerdistar unterbrach sich einen Moment, dann fuhr sie fort: „Es fasziniert sie, daß wir sie nicht fürchten. Wir haben dies mit unserem Unwissen erklärt, aber sie halten uns dennoch für Menschen mit erstaunlicher Selbstbeherrschung. Laßt sie ruhig weiter daran glauben, dann sind wir einigermaßen sicher. Es wird nicht immer leicht sein, denn sie sind ein sehr spontanes Volk, und sie werden vielleicht harte Entscheidungen treffen.
Die beiden anderen“, fügte sie hinzu, „gehören zu einer Klasse reisender Sendboten. Offensichtlich ist es ihre Aufgabe, die Verständigung zwischen Stämmen aufrechtzuerhalten, die einander verabscheuen. Der Brauch schreibt vor, daß sie weder verletzt noch beraubt, noch aufgehalten oder als Geiseln genommen werden dürfen, außer in ganz besonderen Fällen, die uns aber nicht zu interessieren brauchen.
Ursprünglich wurde hier in Singlesprache gesprochen, mit der Veränderung der Menschen hat diese sich jedoch ebenfalls stark verändert. Ich rate Ihnen dringend, sie so schnell zu lernen, wie Sie es eben können. Es gibt viele verschiedene Dialekte, und hinzu kommen noch Kult-Varianten, die Gesetzessprache der Stämme und andere, an bestimmte Handlungen gebundene Sprechweisen. Die meisten Menschen hier beherrschen fließend drei oder vier dieser Sprachformen, und diesen reisenden Botschaftern stehen natürlich noch viel mehr Dialekte zur Verfügung.“
Meure fragte: „Gibt es Großstädte, überhaupt Städte, oder ist dies ein Planet der Wilden?“
„Es gibt … Städte. Ich glaube jedoch, daß Sie sie nicht so nennen würden, wenn Sie einmal eine zu sehen bekämen; es sind einfach Orte, an
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