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Stunde der Vergeltung (German Edition)

Stunde der Vergeltung (German Edition)

Titel: Stunde der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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an Novak senden. Heute war die zweite Deadline – abends, um genau zu sein, aber da niemand wusste, was bis zu diesem Abend alles geschehen konnte, täte er gut daran, es hinter sich zu bringen. Er entdeckte eine Parkmöglichkeit an dem menschenleeren Strand an der Nordseite von La Roccia – die enorme Felsformation, die San Vito in zwei Hälften, San Vito Nord und San Vito Süd, teilte. In jenen Gesteinsbrocken lagen die Schmugglerhöhlen.
    Er befand sich nahe genug bei den Touristenhotels, die in den Hängen oberhalb des Strands nisteten, um eine Wi-Fi-Verbindung zu bekommen. Er fuhr den Laptop hoch und wählte sich ins Internet ein.
    Ohne die dumpfe Schwere in seiner Brust zu beachten, klickte Val auf »Senden«, dann saß er von bleierner Kälte erfüllt einfach nur da. Er konnte genauso gut abwarten, bis diese widerlichen Schweine ihr grunzendes, keuchendes Vergnügen gehabt hatten, ehe er sich auf Skype einloggte.
    Val wollte dieses Mal nicht zuhören, wie sie es sich ansahen.
    Imre baumelte im Klammergriff der beiden Männer, die ihn über die Flure schleiften. Er hatte die leidvolle Erfahrung gemacht, dass jeder Versuch, auf den Füßen zu bleiben, zwecklos war. Seine Bemühungen schienen diese Kerle nur noch mehr zu provozieren. Seine Zehen holperten schmerzhaft über den Teppichläufer.
    Sie hatten ihm nichts gesagt, doch er mutmaßte, dass es Zeit war für die nächste Videokonferenz mit Vajda, der weitere erotische Filmaufnahmen lieferte, um Novaks Maschinerie des Bösen anzufeuern. Welch bizarren Preis der arme Junge zahlen musste für den mageren Trost, seinen Ziehvater am Leben zu wissen. Gerade noch am Leben. Aber bald würde Vajda frei sein, um seine Seele zu retten.
    Im Grunde wollte Imre überhaupt nicht an Seelen, deren Rettung oder Verlust denken. Er war noch nicht bereit für diese Verzweiflungstat, und das, obwohl er all seine dunklen, stillen Stunden damit zubrachte, sich wieder und wieder in einen Zustand der Bereitschaft zu versetzen. Doch jedes Mal wurde er wieder von Zweifeln übermannt.
    Er hatte die Innennaht seiner schäbigen Hose aufgetrennt und die exakte Position seiner Oberschenkelarterie lokalisiert, sich die jähe Stichwunde vorgestellt, die er sich selbst beibringen musste, um schnell genug zu verbluten. Zum Glück war er derart ausgemergelt, dass seine Venen und Arterien leicht zu finden waren. Sein zum Skelett abgemagerter Körper könnte als Anatomieposter für Knochen und Blutgefäße, allerdings nicht für Muskelgewebe, dienen.
    Er würde nur eine einzige Chance haben, es richtig hinzubekommen. Die Oberschenkelarterie war der schnellste Weg. Wenn man sie öffnete, konnte man binnen zwei Minuten verbluten. Imre erinnerte sich nicht, woher er dieses Wissen hatte – bestimmt aus einem albernen Detektivroman, den er in einem Moment der Schwäche gelesen hatte – , aber sein Hirn hatte sich diese Tatsache eingeprägt. Er hoffte bei Gott, dass sie der Wahrheit entsprach.
    Ein Schwächeanfall überkam ihn, und er sackte tiefer in der eisernen Umklammerung der beiden Gorillas, die ihn zwischen sich herschleiften. Matt vor Schmerz und vor Furcht, dass sein Plan eine Sünde war, durch die er seine Chance verlieren könnte, Ilona und Tina wiederzusehen, die bei den Engeln auf ihn warteten.
    Natürlich war ihm in der grausamen, nächtlichen Finsternis seiner stinkenden Zelle allein die Aussicht darauf, Ilona und Tina wiederzusehen, naiv und dumm erschienen. Der Himmel war nach dem Tod nicht so leicht zu erreichen. Dennoch gab er in seiner Einsamkeit die Hoffnung nicht auf.
    Sein Blutdruck war zu niedrig, dadurch würde er weniger schnell verbluten. Er fühlte sich überhaupt nicht mehr so, als hätte er irgendetwas in sich, das bluten könnte. Er fühlte sich wie eine trockene Orange, wie eine dörre Zitrone. Nur faseriges Fruchtfleisch, ohne Saft.
    Vergebt mir, Ilona und Tina , wiederholte er mit geschlossenen Augen. Die Scherbe aus seinen Brillengläsern war in seiner Wange verborgen. Er spielte mit seiner Zunge daran, fühlte den scharfen Rand, schmeckte Blut. Ich tue das nicht für mich selbst, sondern für Vajda , beschwor er die Dämonen des Zweifels, die ihn wie surrende Insekten umschwirrten. Schließlich wartete er ohnehin nur auf seinen unvermeidlichen Tod, nicht wahr?
    War es wirklich für Vajda? War es am Ende nicht doch nur die Angst vor den Schmerzen? Konnte man unter solchen Umständen einem Menschen das Begehen einer Todsünde zum Vorwurf machen? In ihren

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