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Stunde der Vergeltung (German Edition)

Stunde der Vergeltung (German Edition)

Titel: Stunde der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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schlüpfrigen Steine unter seinen Füßen. Obwohl die Stelle unter Wasser lag, erkannte er sie wieder, da es hier nicht vollständig finster war. Ein tiefer Krater in La Roccia bildete einen schmalen Durchlass, der ein wenig Tageslicht hereinließ. Irgendwo dahinter konnte Val das Tosen der Wellen hören und einen matten, hellen Schimmer erkennen. Was bei Ebbe ein drei Meter breites Kiesufer gewesen war, war nun zu einem schartigen Felsen von einem halben Meter Breite geschrumpft, mit einer niedrig hängenden Decke, aus der skurrile Stalaktiten herabhingen. Zu niedrig zum Sitzen.
    Vor Kälte bibberte er wie Espenlaub. Das Salzwasser brannte in seinen aufgerissenen Händen und Knien. Das Gesicht und die Hüfte pochten schmerzhaft von den harten Treffern, die er während des Kampfes nicht wahrgenommen hatte, und seine Schulter …
    Seine Schulter . Val fasste an die Narbe der Schusswunde, die er sich letztes Jahr zugezogen hatte. Er war von Ärzten untersucht und behandelt worden, die auf der Gehaltsliste von PSS standen, nachdem er Hegel und einige andere zur Weißglut getrieben hatte, weil er seine unbequemen Skrupel hinsichtlich des Tötens von Kindern geäußert hatte. Diese Ärzte hatten ihn in einer geheimen Klinik in Bogotá zusammengeflickt.
    Seither war die Schulter immer leicht entzündet. Val konnte nichts Ungewöhnliches fühlen, als er sie abtastete, allerdings waren seine Finger taub vor Kälte. Er hatte den konstanten Schmerz in der Narbe für relativ normal gehalten. Es war nicht seine einzige alte Wunde, die brannte und pochte. Er heilte nicht mehr so schnell wie noch vor zehn Jahren.
    Jedenfalls hatte er das gedacht. Jetzt nicht mehr.
    Keinesfalls durfte er die Höhle mit diesem Ding in seinem Körper verlassen und zu Tam zurückkehren. Natürlich könnte er seine Verfolger von ihr weglotsen, aber früher oder später würden sie ihn einholen und überwältigen. Seine finanziellen Mittel waren beinahe erschöpft, wohingegen Novaks Ressourcen grenzenlos waren.
    Außerdem hatte er zu seinem Leidwesen mit eigenen Augen mitansehen müssen, wozu András imstande war und was er einem Menschen antat, um ihm Informationen zu entlocken. Val hatte diese Erfahrung nie vergessen. Er würde nicht ewig durchhalten. Dabei nicht.
    Die Schulter war seine beste und einzige Vermutung. Er musste es hier und jetzt tun. Ihm fiel kein anderer Ort ein, an dem er mehr Licht haben würde, abgesehen vielleicht vom Fremdenverkehrsbüro von La Grotta. Da würde er den Touristen auf ihren Vergnügungsbooten eine hübsche Show liefern.
    Er hätte es vorgezogen, bei einer Operation wie dieser nicht bis zur Brust in eiskaltem Salzwasser zu sitzen, aber es gab keine Alternative. Val zog das Messer aus der mit einem Klettband an seinem Knöchel befestigten Scheide. Kein leichtes Unterfangen. Seine Hände gehorchten ihm kaum. Die klatschnasse Jacke auszuziehen und das Hemd aufzuknöpfen, stellte ihn vor die nächste Herausforderung. Seine Finger fühlten sich geschwollen und kraftlos an. Er konnte von Glück reden, dass die Wunde an der Vorderseite seiner Schulter war.
    Glück? Ha! Er war bestimmt der einzige arme Einfaltspinsel auf dieser Welt, der ein solches Detail als Glücksfall bezeichnen würde. Die Messerspitze verharrte zitternd über dem vernarbten Fleisch seiner Schulter, während er tief einatmete, um Mut zu fassen. Wenn das nicht typisch war für sein beschissenes Leben: Wie er eine gefühlte Ewigkeit auf das Messer starrte, das er sich selbst in den Körper rammen musste.
    Selbstmitleid würde ihm nicht weiterhelfen, und beim Warten würde ihm nicht wärmer werden. Er würde nur weiter auskühlen, bis er einen Schock erlitt.
    Los, tu es, testa di cazzo. Schneide. Jetzt .
    Seine Muskeln zuckten, als er das Messer führte, in der verzweifelten Hoffnung, die richtige Stelle zu erwischen – nämlich die, wo er den Wundschmerz am stärksten spürte. Er dämpfte seinen Schrei zu einem erstickten Stöhnen. Tränen strömten ihm übers Gesicht. Er presste so fest die Kiefer zusammen, dass sich seine Zähne zu lockern drohten – und dachte an Imre. An die Glasscherbe, die er mit solcher Entschlossenheit nach unten gestoßen hatte. An seinen Mut. Sein Geschenk.
    Noch mal . Er stocherte mit der Klinge in seinem Fleisch herum. Blut quoll heraus, heiß und glitschig rann es über seinen Arm. Das Salz brannte in seiner Wunde. Val stach tiefer hinein, und ein leises, gepeinigtes Geräusch entrang sich seiner Kehle.
    Noch mal .

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