Stundenlohn für flotte Gangster
sie hatte sich in die Scherben gesetzt, um sich die Pfote zu lecken.
Nun blutete auch der linke Hinterlauf dicht neben der Schwanzwurzel.
Gaby hatte ihr Tun, die Hündin
aus der Gefahrenzone zu bringen — was nicht gleich gelang. Aber Tim nahte, nahm
das Tier auf die Arme und trug’s zu dem Grünstreifen.
Gaby untersuchte die Hündin,
die zutraulich war und freudig um sich leckte. Am Hinter lauf war nur ein
Ritzer, aber in der Vorderpfote ein tiefer, stark blutender Schnitt.
Gaby umwickelte die Wunde mit
ihrem Taschentuch.
Inzwischen hatte Tim die
Rückseite der Impfplakette studiert, die an dem dünnen Kettenhalsband hing.
„Sie heißt Chica. Die Adresse
ist... äh... zwei Häuser weiter. Das Grundstück dort. Nummer 32 mit dem großen
Garten. Aber die Pforte steht offen.“
„Eine Unachtsamkeit, die ich nicht
entschuldige!“, erklärte Gaby streng. „Eine verkehrsreiche Straße und ein so
junges Tier — da kann auch das Schlimmste passieren.“
Klößchen hatte in seiner
Satteltasche gewühlt. „Ich hätte Heftpflaster“, verkündete er. „Aber nur ganz
schmale.“
„Nützt nichts.“ Und zu Tim
sagte Gaby: „Sie mag dich. Du kannst sie tragen.“
Sie klingelten an der Haustür
und eine junge Frau öffnete. Sie wurde leichenblass bis unter den blonden
Haaransatz. „Um Himmels willen! Was ist mit meinem Hund?“
Gaby erklärte es. Die Frau war
entsetzt.
„Die Pforte ist sonst immer
geschlossen. Aber eben war ein Drücker da, ein Klinkenputzer. Wollte mir ein
Zeitschriften-Abonnement aufschwatzen. Habe ich natürlich nicht genommen. Ich
hätte mir denken können, dass er die Pforte offen lässt. Chica hat gerade
hinterm Haus gespielt. Sie jagt so gern Schmetterlinge. Ich fahre sofort zu
unserem Tierarzt. Könnt ihr sie mir in den Wagen setzen?“
Tim besorgte das. Die
Hundehalterin bedankte sich überschwänglich, holte ihr Schlüsselbund und fuhr
dann aus der Garage.
Karl und Klößchen warteten am
Straßenrand.
„Mit ‘nem Zweig haben wir die
Scherben zusammengekehrt“, sagte Karl. „Die sind jetzt in dem Abfallkorb dort.
Aber die ganz kleinen Splitter haben wir nicht erfasst. Barfuß laufen würde ich
hier auf keinen Fall.“
„Erklär das den Hunden!“,
meinte Tim. „Wie viel Zeit haben wir verloren?“
„Knappe 20 Minuten.“
„Dann aber Tempo! Anna braucht
jetzt den totalen Zuspruch. Hoffentlich hat sie sich von ihrem Schwächeanfall
erholt. Ab einer gewissen Grenze muss man Terror und Mobbing als
Körperverletzung werten — egal, wie wenig Abwehrmöglichkeiten der Rechtsanwalt
Dr. Lorder anbieten kann.“
Sie brauchten noch zehn Minuten
bis zum Seileranger Weg. Weder Flappes BMW war zu sehen noch der rote Fiat der
Trücklich. Annas silbergrauer Golf stand noch an derselben Stelle. Dennoch —
irgendwas an dem Karambolage-Auto hatte sich verändert.
Tim spürte das sofort, war sich
aber zunächst nicht klar, worum es sich handelte.
Sie hielten vor Annas
Grundstück.
Jetzt, aus kurzer Entfernung,
zeigte sich das Unglück in voller Größe.
„Elende Bambule (Krawall) !“,
flüsterte Gaby. „Annas Wagen steht auf den Felgen. Alle Reifen sind zerfetzt.
Alle vier. Jetzt reicht’s aber!“
Sie waren abgestiegen und
umkreisten den Golf. In den Reifen war kein Quäntchen Luft mehr.
„Da hat jemand mit großem
Messer ins harte Gummi gesäbelt“, meinte Klößchen. „Hätte auffallen müssen. Na
ja, die Straße ist sehr ruhig. Und die Nachbarn in ihren Hütten sind sicherlich
keine Fenstergucker.“
„Die Trücklich kann’s nicht
gewesen sein“, murmelte Tim. „Aber Flappe kommt infrage. Vielleicht ist sein
BMW deshalb hier rumgelungert.“
„Es läuft darauf hinaus“,
nickte Karl, „dass Anna rund um die Uhr bewacht werden muss. Aber das wird sie
nicht wollen.“
Sie schoben ihre Bikes in den
Garten und lehnten sie innen an den Zaun. Bevor sie an der Haustür klingeln
konnten, wurde geöffnet.
Lisa Stechowski, die nette
Nachbarin mit dem beißfreudigen Töchterchen, hatte die Kids durchs Fenster
bemerkt.
„Gut, dass ihr kommt.“ Ihre
Miene war ernst. „Anna geht’s gar nicht gut. Die Anschläge nehmen kein Ende.“
„Haben Sie schon bemerkt“,
fragte Tim, „dass am Golf alle vier Reifen zerstochen sind?“
„Das ist es ja. Kommt rein!“
Anna lag auf dem Sofa in ihrem
hübsch eingerichteten Wohnzimmer, hatte die Schuhe ausgezogen und sah aus wie
Braunbier mit Spucke. Auf dem Tischchen neben ihr stand ein Wasserglas, in dem
fast farblose
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