Stupid Crazy Love Story

überhaupt bewusst war.
    Ich gehe ins Wohnzimmer, wo Kylie wie in Trance auf Fotos von ihrem Vater starrt, und hocke mich neben sie und Manuel auf die Couch. »Hier ist ein Bild von deinem Dad in der Highschool. Er war Kapitän des Fußballteams und wir hatten gerade die Landesmeisterschaft gewonnen. Javier hatte das entscheidende Tor zum Sieg geschossen«, erzählt er.
    Auf dem Foto ist Kylies siebzehnjähriger Vater zu sehen, wie er auf den Schultern seiner Mitspieler durch die Straßen von Ensenada getragen wird. Auf dem Bild ist er so alt wie wir jetzt und er sieht aus, als gehörte ihm die Welt. Außerdem sind da Fotos von ihm, auf denen er vor richtigen Menschenmassen spielt. Auf einem hält er einen riesigen Pokal in den Händen. Auf einem anderen signiert er gerade für einen Haufen Schulkinder ein Poster mit ihm darauf.
    Wie kann es sein, dass Kylie nichts von alldem wusste? Unglaublich. Ich an ihrer Stelle würde ausflippen. Ich könnte diese ganzen neuen Informationen jedenfalls nicht einfach so wegstecken.
    Kylie brütet über den Fotos und nimmt eins nach dem anderen vorsichtig in die Hand. Ich würde gerne den Arm um sie legen. Aber ich tue es nicht. Ich lasse meine Finger da, wo sie hingehören.
    Â»Das hier ist der Abend, an dem Javier die Meisterschaft fürColef gewonnen hat, das College oben im Norden.« Manuel hält ein Foto hoch, auf dem Javier grinsend von seinen Kameraden Bier über den Kopf geschüttet bekommt.
    Â»Kurz danach hat Javier das College geschmissen, um bei der Weltmeisterschaft für Mexiko zu spielen. Ich glaube, das war im zweiten Studienjahr. Die Talentscouts haben sich direkt nach dem Spiel auf ihn gestürzt. Real Madrid, Manchester United … Wenn der Unfall nicht gewesen wäre, wäre er noch richtig groß rausgekommen«, erzählt Manuel.
    Â»Hat er sich bei einem Spiel verletzt?«, fragte Kylie.
    Â»Du weißt nichts von dem Unfall?«
    Â»Nein.« Kylie sieht Manuel verwirrt an.
    Â»Es war kein Sportunfall. Aber, hm, vielleicht sollte dir das dein Vater selbst erzählen.«
    Â»Er erzählt nie etwas«, sagt Kylie, bemüht, ihre Stimme normal klingen zu lassen. Aber ihr Blick verrät, wie unwohl sie sich fühlt. »Wir haben nicht so den … Draht zueinander.« Kylie rutscht unruhig hin und her.
    Â»Glaub mir, ich weiß, wie schwierig Javier manchmal sein kann. Wir sind zusammen aufgewachsen. Manchmal hat er tagelang nicht mit mir gesprochen, nur weil ich irgendeine dumme Bemerkung gemacht habe. Er war schon immer sehr launisch, aber er hat ein gutes Herz. Wahrscheinlich will Javier dich einfach nur schützen.«
    Kylie sieht Manuel immer noch an. Sie hofft anscheinend, dass er es ihr trotzdem gleich erzählt. Manuel erwidert ihren Blick und seufzt.
    Â»Ich weiß nicht recht, mija . Ich glaube wirklich, dass du das aus dem Mund deines Vaters hören solltest.«
    Â»Das wird nicht passieren. Aber ich würde ihn vielleicht besser verstehen, wenn ich davon wüsste«, entgegnet Kylie. Und dann fügt sie noch ein »Bitte?« hinzu und sieht Manuel mit ihren großen, wunderschönen goldenen Augen an.
    Es dürfte verdammt schwierig sein, ihr diese Bitte abzuschlagen.
    Â»Wenn es euch beiden hilft … Ich hoffe, ihr redet dann endlich ein bisschen mehr miteinander. Und wenn nicht, dann wird es dir wenigstens helfen, ihn besser zu verstehen«, gibt Manuel sich geschlagen.
    Er lehnt sich zurück und fängt an zu erzählen: »Javier hatte einen schrecklichen Unfall. Das ist jetzt fast dreißig Jahre her, es war ein paar Monate nach der Weltmeisterschaft. Mario, der Vater von Javier, also dein Großvater, war von Beruf Lkw-Fahrer. Und manchmal nahm er Javier und seinen Bruder auf langen Strecken mit. Dein Vater lernte schon mit fünfzehn, Laster zu fahren. Ich war deswegen immer ziemlich neidisch auf ihn, weil ich es einfach unglaublich cool fand.
    An einem Abend waren sie alle drei mit dem Truck unterwegs und schon fast wieder zu Hause. Dein Vater saß am Steuer, er muss damals neunzehn gewesen sein. Plötzlich ist ein anderes Auto auf seine Spur geraten … Der Truck kam ins Schleudern und kippte schließlich um. Sein Vater und sein Bruder … na ja, sie sind gestorben. Aber Javier hatte nicht einen einzigen Kratzer abbekommen.«
    Manuel macht eine Pause. Offenbar fällt es ihm nach all den Jahren immer noch schwer, diese