Stupid Crazy Love Story
ruft Manuel, woraufhin alle trinken.
Ich nehme einen groÃen Schluck und sofort schieÃen mir die Tränen in die Augen. Ich spüre, wie mir das Zeug warm die Kehle hinunterrinnt. Was auch immer es ist, es ist eindeutig kein Saft.
»Carmela macht die beste Sangria weit und breit. Aber seid vorsichtig, die haut ganz schön rein«, erklärt Manuel.
Meine Rede. Da ist bestimmt in jedem einzelnen Glas eine ganze Flasche Tequila drin. Der kleine Schwips von vorhin ist so gut wie weg. Ich hätte nichts dagegen, wenn er wiederkommt.
»Hey, trink nicht so schnell. Der Abend kann noch lang werden«, sagt Max. »Apropos, wir sollten Will anrufen und ihm sagen, wo wir stecken.«
Also leihe ich mir Manuels Telefon und verdrücke mich kurz ins Haus. Ich würde Will nur allzu gerne von meinem momentanen surrealen Bewusstseinszustand berichten. Doch leider geht er nicht ran. Vielleicht steckt er gerade in einem Funkloch auf der Interstate 405. Also schicke ich ihm eine SMS mit Manuels Adresse und beeile mich, wieder rauszukommen, um Max nicht zu lange allein zu lassen. Doch um ihn hätte ich mir gar keine Sorgen machen müssen. Er fühlt sich offenbar schon ganz zu Hause. Mit einem riesigen Teller Fisch-Tacos in der Hand lässt er sich von dem alten Mann im Rollstuhl eine Geschichte erzählen. Max schafft es irgendwie, gleichzeitig zu essen, zuzuhören und nebenbei auch noch einem kleinen Jungen einen Baseball zuzuwerfen.
»Hey Kylie, komm mal her.« Max winkt mich heran. »Du musst mal was übersetzen. Ich glaube, er will mir ernsthaft erzählen, dass er früher mal Stierkämpfer war.«
Max schlägt dem alten Mann freundschaftlich auf den Rücken, als ob sie sich schon ewig kennen würden. Fällt Max eigentlich alles im Leben so leicht? Kann er sich immer sofort reibungslos an neue Situationen anpassen? So langsam glaube ich, ein Muster zu erkennen â in ernsthaften Gefahrensituationen sackt er in sich zusammen, aber sobald man ihn in einen Raum voller wildfremder Menschen packt, blüht er auf. Ich bin genau das Gegenteil, aber heute Abend werde ich versuchen, anders zu sein â so wie Max. Meine Fertigkeiten beschränken sich leider auf den Bereich des Filmeschreibens. Im wirklichen Leben kann man damit nicht wirklich viel anfangen.
Ich frage den Mann im Rollstuhl auf Spanisch, ob es stimmt, dass er Stierkämpfer war.
»Si, si«, antwortet er. Und dann zieht er sein T-Shirt hoch und zeigt uns eine ungefähr fünfzehn Zentimeter lange Narbe unter seinem Brustkorb. Puh! Das sieht schlimm aus. Max und mir bleibt der Mund offen stehen.
»Meine Fresse«, keucht Max. »So etwas hab ich noch nie gesehen.«
Dann holt er sein Handy raus und macht ein Foto von der Narbe, in GroÃaufnahme. Er zeigt dem Mann das Bild und erntet ein Lächeln. Ich hatte gar nicht gewusst, dass es in Mexiko Stierkämpfe gibt. Anscheinend weià ich ganz schön viele Dinge nicht.
»Kylie, ich findâs absolut genial hier «, verkündet Max.
Er schenkt uns Sangria nach, wir prosten uns zu und leeren die Gläser. Dann setzen wir uns auf eine Bank, unsere Körper berühren sich. In meinem Bauch breitet sich eine sanfte Hitze aus, die langsam in all meine Glieder strömt. Zum Teil ist wohl der Alkohol daran schuld, zum Teil aber auch Max. Wie auch immer, es fühlt sich gut an.
22 Max:
Ich habe heute bereits Tacos mit Kutteln gegessen, die legendäre sopa de mariscos von Carmela und einen Teller geschmortes Ziegenfleisch mit Reis. Alles war unglaublich lecker. Inzwischen bin ich bei meinem dritten Glas Sangria angelangt. Und ich habe einen neuen Kumpel, den achtzigjährigen Stierkämpfer Carlos. Ich bewege mich auÃerhalb meines Terrains und fühle mich trotzdem total wohl.
Und obwohl ich noch vor ein paar Stunden gerne rechtzeitig zur Abschlussfeier wieder zu Hause gewesen wäre, sind mir die Partys heute Abend inzwischen relativ egal. Lieber bleibe ich hier und erlebe zur Abwechslung mal etwas anderes. Mein Leben ist meistens so festgefahren und vorherbestimmt, dass ich ganz vergessen hatte, wie es sich anfühlt, sich einfach mal treiben zu lassen. Dieser verrückte Abstecher nach Mexiko, der vor Kurzem noch der absolute Höllentrip war, ist das Beste, was ich seit Langem erlebt habe. Ein anderes Land, eine andere Kultur, neue Leute â irgendwie hatte ich mich genau danach gesehnt, ohne dass es mir
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