Sturm auf mein Herz
essen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Cain interessiert aufblickend, »kannst du?«
»Na klar - äh, ach so. Darf ich mit den Fingern essen, Shelley?«
»Miss Wilde«, korrigierte ihn Cain.
»Shelley«, sagte sie fest. »Und ja, du darfst. Wäre doch kein Backhühnchen, wenn man’s mit Messer und Gabel essen müsste.«
Billy nahm die Keule und biss herzhaft zu.
»Wie viel hast du dieses Wochenende auf?«, erkundigte sich Cain ein paar Minuten später.
Billy warf seinem Onkel einen misstrauischen Blick zu. »Du hast mit Dad geredet.«
Cain wartete auf Antwort.
Der Junge seufzte und sagte dann in überdrüssigem Ton: »Jede Menge.«
»Weißt du, wie’s geht?«
»Werd ich morgen schon rausfinden.«
»Vielleicht solltest du’s lieber heute Abend rausfinden. Morgen bin ich nämlich nicht mehr da.«
Shelley blickte ruckartig auf. Cain bemerkte die Bewegung, wandte die Augen jedoch nicht von seinem Neffen ab.
»Ich dachte, du würdest hier bleiben, bis Dad wiederkommt«, klagte Billy.
»Wollte ich auch, aber -«, Cain machte eine abrupte Handbewegung, »ich muss für ein paar Tage nach Alaska. Es gab einen Unfall.«
»Schlimm?«, fragte Shelley erschrocken und musste daran denken, wie zornig er geklungen hatte.
»Jemand hat meinem Baustellenleiter einen Hammer über den dicken Schädel gezogen.«
Billy guckte zuerst verblüfft, dann begeistert drein. »Echt, Onkel Cain? Die haben sich geprügelt?«
Er bedachte seinen Neffen mit einem solch giftigen Blick, das der schlagartig verstummte.
»Jep«, sagte Cain. »Sie haben sich geprügelt. Wie zwei kleine Jungs auf dem Schulhof.«
»Schulkinder benutzen keine Waffen«, warf Shelley ein.
»Dann waren Sie aber in letzter Zeit nicht mehr in der Schule«, murmelte Billy.
»Hat man den Mann verhaftet?«, erkundigte sie sich bei Cain.
»Wozu ? Ist doch der Yukon. Im Übrigen haben sie sich wegen seiner Frau geprügelt.«
Sie mühte sich, ein Schmunzeln zu unterdrücken, gab schließlich auf und lachte.
»Manche Dinge ändern sich nie, egal wo man ist«, sagte sie kopfschüttelnd. »Mein Dad sagt immer, er hat mehr Zeit damit zugebracht, irgendwelche Zankhähne zu trennen, als nach Schlangen zu suchen.«
»Amen. Außer, dass ich mehr Zeit damit zubringe, Dummköpfe zu trennen, als nach Gesteinsformationen zu suchen.« Er blickte Shelley nun direkt an. »Tut mir Leid, Kätzchen.«
Sie wandte sich abrupt ab, weil sie nicht wollte, dass er sah, wie unglücklich sie über sein Weggehen war.
»Kein Problem«, sagte sie neutral. »Reisende soll man nicht aufhalten.«
Er kniff den Mund zusammen. Dann wandte er seine Auf-merksamkeit wieder seinem Neffen zu. »Wann wird deine Mutter wieder da sein?«
Der Junge zögerte, nahm eine Gabel Kartoffelbrei und brummelte: »Nach dem Frühstück.«
Etwas an seiner Art bewirkte, dass beide Erwachsenen ihn fragend musterten.
»Frühstück morgen früh?«, erkundigte sich Shelley sanft. »Oder an einem anderen Tag?«
Einen Moment lang glaubte sie, Billy würde nicht darauf antworten. Dann nahm er sich übertrieben beiläufig eine zweite Hühnerkeule. Kurz bevor er seine kräftigen Zähne darin versenkte, zuckte er mit den Schultern.
»Manche von ihren Partys dauern ’ne Woche. Aber das ist schon okay. Lupe macht meine Wäsche und kocht für mich, und Mutter ist immer vor Vater wieder zurück.«
Die Miene des Jungen verdüsterte sich, als ihm einfiel, dass sein Vater ja nicht mehr zu seiner Mutter heimkehren würde.
»Na egal«, sagte er heftig und riss mit den Zähnen an der Hühnerkeule, »wird schon irgendwie klappen.«
Cain brummte einen unterdrückten Fluch, den jedoch nur Shelley hörte. Wie um ihn zu beruhigen, legte sie die Hand auf seinen Unterarm. Die Anspannung seiner Muskeln verriet ihr, wie wütend er wirklich war.
»Sicher tut es das«, sagte sie entschlossen zu Billy. »Bloß, diesmal wird’s ein bisschen anders ablaufen. Cain wird deine Klamotten und Schulsachen vorbeibringen. Du bleibst bei mir, bis JoLynn wieder da ist.«
Neffe und Onkel begannen gleichzeitig zu reden.
»Keine Widerrede«, sagte sie.
»Aber begann Cain.
»Spar dir den Atem. Ich hab stundenlang überlegt, wie ich Billy wohl dazu kriegen könnte, da zu sein, wenn ich Squeeze füttern muss. Ich würde sagen: Bingo.«
Billy blickte seinen Onkel hoffnungsvoll an.
»Wenn du Shelley auch nur die geringsten Schwierigkeiten machst, zieh ich dir bei lebendigem Leib die Haut ab«, sagte Cain. »Kapische?«
»Jawoll, Sir«, antwortete
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