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Sturm der Barbaren

Titel: Sturm der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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die Steinstufen hinauf zum obersten Stockwerk des Hauses, bleibt einige Augenblicke im überdachten Säulengang stehen, um durch das späte Dämmerlicht einen Blick auf den Hafen zu werfen, der von Nebel und Regen verdeckt wird; die abendlichen Leuchtfeuer für die spät einlaufenden Schiffe sind noch nicht entzündet.
    Schließlich steht er vor der Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters und klopft. Ein Kälteschauer durchfährt ihn, was auf eine Beobachtung mit dem Glas hinweist.
    »Du kannst hereinkommen, Lorn.«
    Lorn betritt das angenehm warme Arbeitszimmer und schließt die Tür. Sein Vater sitzt hinter dem breiten Schreibtisch und sieht auf, er erhebt sich jedoch nicht. Die zwei sehen sich eine Weile nur an.
    Lorn wartet. Auf den Lippen trägt er ein kaum merkliches Lächeln. Das ist aber auch schon der finsterste Gesichtsausdruck, den er beherrscht.
    »Es ist zu spät für eine letzte Chance, das weißt du«, meint Kien’elth milde. »Ich habe dich fast zwei Jahre lang gewarnt, mehr Begeisterung zu zeigen.«
    »Ich weiß. Du hast getan, was du konntest. Aber deswegen bin ich nicht gekommen. Es geht nicht um mich.«
    Kien’elth zieht die Augenbrauen hoch und streicht sich übers Kinn. »Lorn, verzeih mir, wenn ich etwas … skeptisch erscheine, aber die meisten deiner Taten trugen bisher nicht gerade den Stempel der Selbstlosigkeit. Ich habe deine kaufmännischen Abenteuer immer als, sagen wir, nützlich erachtet für deine Ausbildung, damit du zusätzlich lernst, wie die Geschäfte in Cyad geführt werden. Du hast dich auch mit einer gewissen Würde gehalten und dich nicht in zu schmutzige Dinge verwickeln lassen.« Der ältere Mann räuspert sich. »Was führst du im Schilde?«
    Lorn weiß nicht genau, wie er es ausdrücken soll. »Ich mache mir Sorgen um Myryan, Ser. Sie ist viel feinfühliger, als die meisten glauben. Deshalb ist sie natürlich auch eine gute Heilerin.«
    »Du glaubst, sie sollte keine Heilerin werden?«
    »Oh, doch. Sie muss unbedingt Heilerin werden. Aber ich bin nicht sicher, ob sie sich vermählen sollte«, sagt Lorn langsam und beschließt, die Sache noch nicht näher auszuführen.
    »Lorn …« Kien’elth zieht den Namen seines Sohnes in die Länge, so wie er es immer tut, wenn er nicht einer Meinung ist mit ihm – oder mit jemand anderem.
    Lorn wartet, denn er weiß aus Erfahrung, dass sein Vater die Worte ausdehnt, um sein Gegenüber einzuschüchtern und ihn oder sie dadurch zu einem Geständnis oder zur Eile zu zwingen.
    Kien’elth sieht seinem Sohn so eindringlich ins Gesicht, als verlange er nach einer ausführlicheren Erklärung. Lorn widersteht diesem Verlangen und wartet weiter.
    Kien’elth verzieht das Gesicht zu einem etwas gequälten Lächeln und bricht schließlich das Schweigen. »Deine Mutter ist eine sehr einfühlsame Heilerin und es ist ihr stets gelungen, gleichzeitig Gemahlin und Heilerin zu sein.«
    »Ja, Ser.« Lorn nickt. »Aber das hat sie nur dir zu verdanken, Vater.«
    Kien’elth lacht. »Du willst meine eigene Eitelkeit gegen mich einsetzen, Lorn?«
    »Eitelkeit hin oder her, Ser, es stimmt doch.«
    »Ich sehe, dass du davon überzeugt bist – oder beinahe überzeugt.« Kien’elth lehnt sich zurück und presst die ausgestreckten Finger aneinander; dabei blickt er durch seinen Sohn hindurch.
    Lorn wartet geduldig, es entgeht ihm nicht, dass der Regen erneut aufs Dach prasselt. Vielleicht ist es auch Hagel, denn es hört sich stärker an als Regentropfen. Er kann es jedoch nicht überprüfen, denn vor beiden Fenstern sind die Läden geschlossen.
    »Sag mir, Lorn … bist du dagegen, dass Myryan die Gemahlin von Ciesrt oder irgendeinem anderen Mann wird?«
    Lorn runzelt die Stirn. »Ich glaube, dass Myryan noch nicht bereit ist, sich überhaupt zu vermählen. Ich glaube auch, dass eine Vermählung mit jemandem wie Ciesrt ihr schaden würde. Sie könnte dann nicht mehr alles für ihren Heilerberuf geben und …« Er zuckt die Schultern und versucht ohne Worte auszudrücken, dass eine Vermählung außerordentlich schlimme Folgen für seine jüngere Schwester haben könnte.
    »Keiner ist wirklich bereit, vermählt zu werden. Ich war es nicht deine Mutter war es nicht; du wirst es nicht sein und Myryan bildet da keine Ausnahme.« Kien’elths Worte lassen eine gewisse Endgültigkeit erkennen, das Streitgespräch scheint beendet zu sein.
    »Myryan ist anders.« Lorns Stimme klingt härter als beabsichtigt.
    »Du scheinst ja wirklich überzeugt davon zu sein.«

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