Sturm der Leidenschaft: Er suchte einen verborgenen Schatz - und fand die Liebe seines Lebens (German Edition)
gesehnt. Würde er nun Jillian im Stich lassen, dann verriet er damit alles, was er je wertgeschätzt hatte. Graham schlug den Klopfer energisch gegen die Eichentür.
Ein Butler in abgetragener silber-grüner Livrée öffnete ihm. Er nahm Grahams Hut, Übermantel und Gehstock und führte ihn in den Empfangssalon. Graham setzte sich auf einen abgewetzten Sessel. Seinem geübten Blick entging nicht, dass die großen freien, mit verblasster Tapete überzogenen Wandflächen einst mit Bildern behangen gewesen waren. War Stranton, wie manch ein anderer englischer Aristokrat, gezwungen gewesen, seine Kunstwerke zu verkaufen, um die laufenden Kosten zu decken?
Ein gerahmtes Stück allerdings hing da, und noch während Graham aufstand, um es genauer zu besehen, überkam ihn eine schreckliche Ahnung. Er musste es gar nicht näher betrachten, um zu begreifen, worum es sich handelte. Es war ein Payprus, so alt wie die ägyptische Wüste. Hinter dem Glas sah das Bild beängstigend zerbrechlich aus, und die Tinte aus Naturfarben war bereits größtenteils verblasst und unentzifferbar.
Die fehlende Hälfte der Karte! Jene Hälfte, die Stranton ihm abgenommen hatte, als er noch ein Kind gewesen war.
Graham ballte die Hände zu Fäusten, um das Bild nicht gleich von der Wand zu reißen. Die gehört mir! Mir! Eine unbändige Wut überkam ihn bei der Erinnerung daran, wie Stranton an diese Karte gelangt war.
Dann hörte er Schritte auf dem Korridor. Eilig setzte er sich wieder und zwang sich, zu entspannen, als der Earl hereinkam, begleitet von einer dunkelhaarigen, sehr zerbrechlich wirkenden Frau. Seine Verlobte folgte den beiden, in ein hässliches graues Kleid gehüllt, das bis zum Hals zugeknöpft war. Ihr rotflammendes Haar war zu einem strengen Knoten gebunden, und sie hielt den Blick gesenkt.
Graham betrachtete sie verwundert. Wo war die selbstsichere Frau, die ihm bei Badras Niederkunft geholfen hatte? Jillian schien gleichsam unter diesem tristen Grau verschwunden wie in einem dichten Nebel.
Der Earl stellte seine Frau mit knappen Worten vor. Graham verneigte sich und küsste Lady Stranton die schlaffe Hand. Ihr Lächeln wirkte angestrengt.
Kaum hatten sie sich alle gesetzt, wuchs Grahams Unbehagen um ein Vielfaches. Er zwang sich, über das Wetter zu plaudern, und erkundigte sich nach Strantons Gesetzesantrag. Darauf verfiel der Earl in einen ausgedehnten Monolog, während seine Frau und seine Tochter schwiegen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis der Earl auf den Ehevertrag zu sprechen kam.
Graham unterbrach ihn und schlug vor, dass sie sich in die Bibliothek seiner Lordschaft zurückzogen, um die Einzelheiten unter vier Augen zu besprechen. Er wollte nicht, dass Jillian mitanhörte, wenn um sie verhandelt wurde wie um eine Ware. Der Earl würdigte seine Tochter keines Blickes.
»Das ist unnötig, Euer Gnaden. Hier ist es abgeschieden genug.«
Jillian servierte schweigend den Tee, während ihr Vater detailliert darlegte, welche Gegenleistungen er für die Hand seiner Tochter forderte. Graham hörte dem Earl angewidert zu, der über sein eigenes Kind verhandelte, als wäre Jillian ein Pferd, das er verkaufen wollte. Was Stranton sich vorstellte, war reichlich, und einen Augenblick lang war Graham drauf und dran, empört abzulehnen, zumal in Anbetracht der angespannten Finanzlage seiner Familie. Aber dann sah er die blasse zitternde Jillian an. Nein, sie war jeden Shilling wert! Er würde sie heiraten, und dann würde er ihren Vater zerquetschen wie weichen Muschelkalk!
Die grünen Augen des Earls waren kalt und hart, wohingegen die seiner Tochter, von derselben Farbe, vor Leben sprühten. Im Moment allerdings nicht. Jillian hielt den Blick gesenkt und ihre Gefühle unter dumpfgrauer Seide verhüllt.
»Wie habt Ihr Jillian kennengelernt, Euer Gnaden? Meine Tochter begibt sich kaum ohne unsere Erlaubnis außer Haus. Sie sagte, sie hätte jene Nacht im Hause ihrer Tante verbracht.«
Graham, der jäh aus seinen Gedanken gerissen wurde, sah kurz zu Jillian, deren Hände in ihrem Schoß zitterten.
»Mrs. Huntington lud mich zum Abendessen in ihr Haus ein. Nach dem Essen begaben Jillian und ich uns zu einem kleinen Spaziergang in den Garten.«
Strantons Augen blitzten zornig. »Meine Schwester vernachlässigte eindeutig ihre Pflicht.«
Bei dem Ball hatte die Schwester des Earls Graham beiseitegezogen, als er auf seine Kutsche gewartet hatte, und ihm die Wahrheit gesagt: dass sie diejenige gewesen war, die Jillian
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