Sturm der Leidenschaft (German Edition)
schien ihr etwas ganz anderes zu sein, nämlich eine gewisse moralische Distanz. Sie hatte sich von ihrem Bruder missbrauchen lassen und nicht dagegen zur Wehr gesetzt. Damals hatte Declan unter ihr gestanden und so konnte sie die Nähe zu ihm ertragen, ja genießen. Inzwischen aber war sie zur Hure ihres eigenen Mannes geworden und Declan war nicht mehr der Knecht. Er war vermittels seines Geldes aufgestiegen und dadurch stand er über ihr.
Und wenn Anne die Dinge vollkommen nüchtern betrachtete, so stellte sie fest, dass sie natürlich auch nicht in die Welt Edwards gehörte. Keine Frau von Stand wäre so behandelt worden.
Ihr Leben war voller Qualen und jetzt, da Declan wieder aufgetaucht war, hatten sich die Qualen vervielfacht, denn nun war auch ihr letzter Traum, ihre letzte Hoffnung geschwunden.
Sie klappte das Buch zu und legte es auf den kleinen runden Beistelltisch.
Alles hatte sie verloren. Alles.
Es gab nichts mehr, was ihre Schmerzen gelindert hätte.
Müde erhob sie sich und verließ die Bibliothek.
„Ah … meine Liebe …“
Es war, als habe Edward geahnt, dass er sie hier antreffen würde.
„Ich habe unseren Gast noch einmal zu uns gebeten. Zum Dinner. Deine Zustimmung habe ich vorausgesetzt …“
Es lag eine gewisse Schärfe in seinen Worten und sie wusste, dass er erbost war, weil sie das letzte Zusammentreffen sabotiert hatte.
„Gewiss doch. Ich freue mich.“
„Zieh dir etwas Nettes an, ja? Er ist ein gutaussehender Mann und ich denke, diesmal solltest du seinen Körper genießen, denn er will den deinen. Ich will, dass er dich auf dem Tisch nimmt, während ich esse. Letzte Nacht habe ich mir vorgestellt, wie die Suppe überschwappt, wenn er dich stößt. Er hat einen sehr muskulösen Körper für einen Gentleman.“
Anne fragte sich, wie Edward solche Erkenntnisse gewonnen haben konnte, doch sie sagte nur:
„Vielleicht ist er ja gar kein Gentleman …“ Und mit diesem für Edward mysteriösen Satz ging sie davon.
Es ging nicht. Es war unmöglich. Sie konnte sich nicht von Declan wie eine Hure benutzen lassen, von denen er in der zurückliegenden Zeit sicherlich mehr als genug gehabt hatte. Zu tief wäre ihr Fall gewesen …
Bei jenem Gedanken aber, mit wem er geschlafen haben mochte, traf sie ein tiefer schmerzender Stich in den Magen.
Hatte sie ihn nicht stets als ihr ausschließliches Eigentum betrachtet? Alleine aufgrund der Tatsache, dass er praktisch wie ein Sklave auf dem Hof lebte?
Und natürlich auch, weil er sich ihr angeschlossen hatte. Ihr seine unverbrüchliche Liebe und Hingebung erklärt hatte.
Stattdessen musste sie jetzt erkennen, dass er nicht nur für sie über alle Maßen anziehend war.
Selbst Edward hatte seine Schönheit erkannt.
In Gedanken begann sie, jenen Declan, der nunmehr im Herrenhaus verkehrte von jenem abzulösen, den sie gekannt und geliebt hatte.
Denn gewiss hatte sich nicht nur sein Erscheinungsbild verändert, sondern auch sein Charakter.
Sie betrat ihr Boudoir und überlegte, was sie tragen sollte.
„Wir nehmen das lila Seidenkleid. Und lassen die Bluse weg.“
Es war ein tief ausgeschnittenes Kleid mit weitem Rock, unter dem sie für Gewöhnlich eine Bluse trug, um die Brüste besser zu verbergen.
In diesem Fall aber sollte der Gast ihren Büstenansatz sehen können. Sie wies ihre Zofe an, das Korsett so eng zu schnüren, dass ihre Halbkugeln appetitlich aus dem Ausschnitt gehoben wurden.
Schwarze Samtbänder unterstrichen diesen Effekt und brachten dazu noch Annes schmale Taille ausgesprochen vorteilhaft zur Geltung.
Etwas in ihr hatte begonnen, den alten Declan verschwinden zu lassen. Ja, sie hatte selbst den Eindruck, als habe sie den jetzigen Mann nie zuvor gesehen.
Es war ein Gefühl, als trete sie einem vollkommen Fremden gegenüber und dieses Gefühl machte sie sicherer.
Die Schultern entblößt und die Arme durch lange Handschuhe bedeckt. Elegant mit einem winzigen Hauch verruchten Versprechens.
„Welche Armbänder wollen Sie tragen, Euer Ladyschaft?“, fragte die Zofe und hielt ihr ein Tablett mit einer Auswahl an Schmuckstücken hin.
„Ich denke … Keine Armbänder heute …“
Sie störten meist, wenn man sich umarmte, da sie dazu neigten, an den Stoffen hängen zu bleiben.
Das üppige Amethyst- Collier, das sie anlegte, hatte den ansprechenden Nebeneffekt, dass ein Mann ihre Brüste betrachten konnte und dabei die Ausrede hatte, er interessiere sich für die Edelsteine.
Wobei es an diesem Abend
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