Sturm der Leidenschaft
Nicolas hat keine Lust zu heiraten. Und das ist sehr bedauerlich und der Kummer meiner Eltern, denn Nicki ist der Erstgeborene und der einzige männliche Erbe.«
Whitneys Neugierde war geweckt, dennoch gelang es ihr, mit der höflichen Bemerkung zu reagieren, sie hoffe doch sehr, daß Monsieur Du Ville nicht an irgendeinem Leiden litte.
»Nein«, kicherte Thérèse höchst melodisch. »Es sei denn, man betrachtet exzessives Gelangweiltsein und schockierende Arroganz als Leiden. Aber irgendwie kann man das Nicki gar nicht verübeln - bei all den Mädchen, die ihm pausenlos nachstellen. Maman meint, wenn die Mädchen Anträge machen dürften, hätte Nicolas weit mehr Angebote als wir alle zusammengenommen ! «
Whitneys Interesse erlosch wie eine Kerze im Windzug. »Das kann ich mir kaum vorstellen«, sagte sie auflachend. »Was ich von Ihnen über ihn höre, klingt für mich ziemlich abstoßend.«
»Charme«, erklärte Thérèse ernst. »Nicolas hat Charme.« Und nach einer nachdenklichen Pause fügte sie hinzu: »Es ist zu schade, daß Nicki so kompliziert ist, denn wenn er zu unserem Debüt erschiene und Sie mit seiner besonderen Aufmerksamkeit auszeichnen würde, wären Sie auf der Stelle ein Erfolg!« Sie seufzte tief auf. »Aber selbstverständlich könnte ihn nichts dazu bewegen, einen Debütantinnenball zu besuchen. Er hält Debütantinnen für extrem langweilig. Dennoch werde ich ihm von Ihnen berichten, vielleicht kann er Ihnen auf irgendeine Weise helfen.«
Nur die Höflichkeit hielt Whitney von der Versicherung ab, sie könne nur hoffen, Thérèses arrogantem Bruder nie zu begegnen.
Einen Tag vor Whitneys offizieller Einführung in die Gesellschaft erreichte sie ein Brief von Emily, der sie vor Erleichterung fast schwindlig werden ließ. Paul hatte Besitz auf den Bahama-Inseln erworben und wollte ein Jahr dort verbringen. Da sich Whitney kaum vorstellen konnte, daß er sich Hals über Kopf in eine sonnenbraune Kolonistin verliebte, hieß das, daß sie sich ein ganzes Jahr auf ihre Rückkehr vorbereiten konnte. Ein ganzes Jahr, ohne sich Sorgen darüber machen zu müssen, daß Paul eine andere heiratete.
Um ihre Erregung vor dem morgigen Ball zu besänftigen, setzte sich Whitney mit Emilys Briefen in den Salon und las sie alle noch einmal. Sie war so vertieft in ihre Lektüre, daß sie gar nicht bemerkte, daß sie jemand beobachtete.
Nicolas Du Ville stand mit einem Brief seiner Schwester in der Hand auf der Schwelle, bei dem Thérèse darauf bestanden hatte, daß er ihn Miss Stone persönlich übergab. Es war nicht das erste Mal, daß seine Schwester versuchte, ihn für eine ihrer albernen Freundinnen zu interessieren, und aus Erfahrung wußte Nicki, daß die beste Methode, Miss Stones romantische Vorstellungen im Hinblick auf ihn in der Knospe zu ersticken, darin bestand, daß er sie so einschüchterte, bis sie erleichtert war, daß er wieder ging.
Sein kühler Blick musterte die Szene, die Miss Stone offenbar sehr kalkuliert geplant hatte. Sonnenlicht kam durchs Fenster und ließ ihre dunklen Haare schimmern. Eine lange Strähne wickelte sie geistesabwesend um den Finger, während sie so tat, als würde sie wie gebannt in ihrem Buch lesen. Ihr gelbes Morgengewand lag in kleidsamen Falten um ihren Körper, ihre Füße hatte sie unter sich angezogen. Ihr Profil strahlte heitere Gelassenheit aus, die langen schwarzen Wimpern lagen wie Fächer auf den Wangen, und ein leichtes Lächeln spielte um ihre vollen Lippen. Verärgert über diese Scharade trat Nicolas in den Salon. »Ein wirklich bezaubernder Anblick, Mademoiselle. Mein Kompliment«, schnarrte er spöttisch.
Whitney hob abrupt den Kopf, schloß das Etikette-Buch, in dem sie Emilys Briefe aufbewahrte, und legte es zur Seite, als sie aufstand. Unsicher blickte sie den Mann Ende Zwanzig an, der sie kühl musterte. Er sah unbestreitbar gut aus mit den schwarzen Haaren und den intensiven, goldgefleckten braunen Augen.
»Gefällt Ihnen, was Sie sehen, Mademoiselle?« erkundigte er sich unverfroren.
Erschreckt machte sich Whitney bewußt, daß sie ihn anstarrte, und riß sich schnell zusammen. Sie machte eine Kopfbewegung zu dem Brief in seiner Hand. »Sind Sie gekommen, um meiner Tante einen Besuch abzustatten?«
Zu ihrer grenzenlosen Verblüffung kam der Mann weiter auf sie zu und hielt ihr den Brief hin. »Ich bin Nicolas DuVille, und Ihr Butler hat mich bereits darüber informiert, daß Sie mich erwarten. Also können wir uns dieses
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