Sturm der Leidenschaft
reckte das Kinn. »Nein«, entgegnete sie stolz. Selbst wenn sie anderer Meinung gewesen wäre, hätte sie ihm diese Antwort gegeben. Sie drehte sich um, ging zur Tür, blieb dort noch einmal stehen und sah ihn über die Schulter hinweg an. »Elizabeth Ashton ist noch nicht vergeben«, sagte sie bitter. »Ich bin davon überzeugt, daß ihre Aussteuer die kleinen Extravaganzen deiner Reise begleichen könnte. Du solltest dir lieber Mittel und Wege ausdenken, ihre Zuneigung wiederzugewinnen, damit du ihr Geld in deine Hände bekommst.«
»Halt den Mund!« zischte Paul. »Sonst werde ich genau das tun!«
Er hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, da schlug Whitney bereits die Tür des Cottages hinter sich zu. Aber erst, als sie ihr Zimmer erreicht hatte, überließ sie sich ihren Tränen. Sie sank auf ihr Bett und weinte über ihre zerbrochenen Träume, über ihre innige Zuneigung, die sie in all den Jahren an Paul verschwendet hatte. Sie weinte, weil sie bereit gewesen war, ihren guten Ruf für Paul aufs Spiel zu setzen, während er ausschließlich an seine Mutter und seine Schwestern dachte. Aber am heftigsten schluchzte sie über ihre eigene Dummheit.
Als Clarissa ihr das Abendessen auf einem Tablett brachte, waren Whitneys Augen zwar rot und geschwollen, aber der erste Ansturm ihrer Verzweiflung war vorüber. Sie aß allein, und ihre Gedanken bewegten sich in einem unaufhörlichen Kreis, der nirgendwo begann und nirgendwo endete.
Am Mittag des nächsten Tages war Whitney nicht mehr wütend auf Paul. Sie fühlte sich sogar merkwürdig schuldig. Sie hatte ihn sich stets als romantischen, tapferen, galanten Ritter in schimmernder Rüstung vorgestellt, und es war wirklich nicht seine Schuld, wenn er dieser Illusion nicht entsprach. Zunehmend empfand sie Scham und Gewissensbisse über die unrühmliche Rolle, die sie bei der Verschlechterung seiner finanziellen Umstände gespielt hatte. Sie hatte ihn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln dazu gebracht, um ihre Hand anzuhalten. Und indem sie seinen Antrag annahm, hatte sie ihn unabsichtlich dazu gebracht, Geld auszugeben, das sie nicht besaß.
Sie dachte an Elizabeth Ashton. Sie liebte Paul, davon war Whitney überzeugt. Zögernd machte sie sich klar, daß angesichts des chaotischen Zustands, in dem sich ihr eigenes Gefühlsleben befand, sie die letzte Person sein sollte, die sich in die Romanzen anderer einmischte. Dennoch - sie war an der Entwicklung der Ereignisse nicht unschuldig, und darüber hinaus hatte sie noch nie die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen können, daß das Schicksal schon alles richten würde . ..
Energisch griff Whitney zu Papier und Feder. Nachdem sie einen Brief an Elizabeth verfaßt hatte, lief sie unruhig in ihrem Zimmer auf und ab und fragte sich, ob diese ihrer Einladung auch folgen würde. In den vergangenen Jahren hatte sie ihr so viel Feindseligkeit und Eifersucht entgegengebracht, daß die arme Elizabeth auf ihr spätes Freundschaftsangebot verständlicherweise mißtrauisch reagieren würde.
Whitney war so überzeugt, daß Elizabeth nicht kommen würde, daß sie erschreckt zusammenzuckte, als deren leise Stimme an der Tür erklang. »Sie ... Sie wollten mit mir sprechen?« Der Blick ihrer blauen Augen zuckte nervös durch den Raum.
»Ja«, erwiderte Whitney lächelnd, »und ich bin sehr froh, daß Sie gekommen sind. Darf ich Ihnen die Handschuhe und den Hut abnehmen?« Als sie die Hand ausstreckte, griff Elizabeth hastig nach ihrem Hut und drückte ihn sich fest auf die Locken. Whitney erinnerte sich an einen Hut - aus Stroh und mit rosafarbenen Bändern, den Paul vor vielen Jahren bewundert hatte. Dieser Hut fand sich dann unter den Kufen des Stuhls wieder, in dem Whitney genüßlich hin und her schaukelte. Auch Elizabeth erinnert sich an ihn, dachte Whitney errötend.
»Ich ... ich würde ihn lieber aufbehalten«, sagte Elizabeth.
»Das kann ich Ihnen nicht verdenken«, entgegnete Whitney und seufzte. In der nächsten halben Stunde ließ Whitney Tee servieren und bemühte sich um eine Unterhaltung, an der Elizabeth nur einsilbig teilnahm und so ängstlich auf der Kante ihres Sessels hockte, als wolle sie beim ersten lauten Geräusch flüchten.
Schließlich entschloß sich Whitney, den Stier bei den Hörnern zu packen. »Elizabeth«, begann sie, und es fiel ihr nicht leicht, der jungen Frau, die sie stets als ihre Erzrivalin betrachtet hatte, ihre Untugenden zu gestehen. »Ich muß mich bei Ihnen für
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